Vor 55 Jahren, am 11. April 1968, fand das Attentat auf Rudi Dutschke statt. Der Hilfsarbeiter Josef Bachmann gab auf ihn drei Schüsse ab, zwei davon in den Kopf. Dutschke überlebte, hat sich von dem Attentat aber nie erholt.
Aus heutigem Empfinden liegt dieses Attentat weit mehr als 55 Jahre zurück. Rudi Dutschke, die damalige 68er Studentenbewegung, die Proteste gegen den Vietnamkrieg und die erbitterten Auseinandersetzungen über den richtigen Weg in eine sozialistische Zukunft erscheinen heute wie aus der Zeit gefallen. Viele der damaligen Protagonisten sind mittlerweile vergessen.
Es lohnt sich aber, das Datum des Attentats zum Anlass zu nehmen, um sich noch einmal mit Rudi Dutschke und seiner Zeit auseinanderzusetzen. Dazu reicht schon die Lektüre des ausführlichen Eintrags in der Wikipedia. Er zeigt, wie gewaltig die Umbrüche waren, in denen Dutschke agierte und zum Teil die Parolen lieferte: Es gab die Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus, dessen Glaubwürdigkeit auch deshalb erschüttert war, weil die Bundesrepublik Deutschland noch zu sehr von ehemaligen Nazis geprägt war. Dazu kam der Vietnamkrieg als Schandmal des weltweiten Imperialismus. Aber auch der Osten selbst bot viele Konfliktstoffe: Der autoritäre Kommunismus der Sowjetunion wurde zunehmend durch Bewegungen wie in der Tschechoslowakei in Frage gestellt, umgekehrt wurde heftig darüber gestritten, ob Mao mit seiner Kulturrevolution wirklich ein erstrebenswertes politisches Ideal darstellte.
Dutschke, der in der DDR aufgewachsen war und mit dem Regime in Konflikt geriet, weil er als «religiöser Sozialist» zugleich Pazifist war und sich gegen den Kriegsdienst stellte, wurde mehr und mehr zur Identifikationsfigur der Studentenbewegung, obwohl er auch dort heftige Kontroversen auslöste und zum Beispiel durch seine Heirat keineswegs den Idealen, wie sie in der Kommune 1 und 2 praktiziert wurden, nacheiferte.
An Dutschke schieden sich die Geister, und es ist interessant, heute noch einmal nachzuverfolgen, wer sich auch auf bürgerlicher Seite für ihn einsetzte. Das gibt auch heute noch zu denken. Aber der Hass, der ihm auch deshalb entgegenschlug, weil er sich vehement gegen die Springerpresse stellte, war so gross, dass es zuletzt zu dem Attentat kam. Dutschke selbst hat den Attentäter als eine Art Opfer der damaligen Polarisierung gesehen und ihm verziehen. Christliche Nächstenliebe und Einsicht in strukturelle Gewaltbedingungen fanden bei ihm zueinander.
Das Foto entstand am 24. Oktober 1979. Rudi Dutschke meldete sich bei der Pressekonferenz anlässlich des Besuches des chinesischen Partei- und Regierungschefs Hua Guofeng als Erster zu Wort. Regierungssprecher K. Bölling weigerte sich jedoch, ihn reden zu lassen: «Dies ist eine Pressekonferenz und keine Demonstration», erklärte er.
(J21)