Am Montag früh fahren die ersten Traktoren im Brüsseler Europaviertel ein. Die Bauern protestieren vor dem heutigen Treffen der EU-Agrarminister. Thema des Ministertreffens ist die Beratung über schnelle strukturelle Massnahmen zur Bewältigung der Krise im Agrarsektor. In weiten Teilen Europas fühlen die Bauern sich von der EU-Politik überfahren.
Der europäische Bauernverband COPA verlangt weniger scharfe Umweltauflagen, weniger Bürokratie und bessere Bedingungen im internationalen Wettbewerb. Darum lehnen die Bauern-Lobbyisten zum Beispiel das Handelsabkommen mit den MERCOSUR-Staaten in Südamerika ab, weil es mehr Konkurrenz für europäische Landwirte bedeuten würde.
EU-Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen hat bereits reagiert und einen Gesetzesvorschlag zurückgezogen, der den Einsatz von Pestiziden in Europa halbieren sollte. Doch das reicht den protestierenden Landwirten in einigen Staaten nicht. Sie wollen mehr Ausnahmeregeln und weniger Vorschriften. Die Chefin der Bauern- und Bürgerbewegung in den Niederlanden, Caroline van der Plas, moniert, dass die Landwirtschaft nicht richtig gewürdigt und geschätzt werde. «Menschen, die unsere tägliche Nahrung produzieren, werden als Tierquäler, Giftmischer, Bodenvergifter und Umweltfrevler diskreditiert», sagte sie der «Financial Times».
Der Strukturwandel in der europäischen Landwirtschaft ist schon seit Jahren im Gange, denn die Zahl der Bauernhöfe nimmt rasant ab – seit 2005 um ein Drittel auf 9,2 Millionen. Die bewirtschaftete Fläche hat aber nicht abgenommen. Das bedeutet, es gibt weniger Höfe, die aber grösser werden. Die schrumpfende Zahl der Bauernhöfe, nach wie vor überwiegend Kleinstbetriebe mit nur einer vollen Arbeitskraft, hat nicht unbedingt nur mit der Wirtschaftlichkeit zu tun. Viele Bauern und Bäuerinnen im Rentenalter geben auf, weil Nachfolger fehlen.
Die Europäische Union lässt sich die Landwirtschaft etwas kosten. Die Agrarpolitik ist der Kern der Union. Seit 1962 werden Entscheidungen im Agrarsektor gemeinschaftlich von den Mitgliedstaaten getroffen. Der grösste Teil des gemeinsamen Haushalts, etwa ein Drittel, fliesst in Zuschüsse an Landwirte und die Entwicklung des ländlichen Raumes. Obwohl die Landwirtschaft nur 1,6 Prozent der Wirtschaftsleistung in der EU ausmacht, erhält sie rund ein Viertel aller Subventionen aus dem regulären Haushalt.
Quellen: Agenturen, DW