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Kommentar 21

Wann treibt Trump Putin zum Waffenstillstand?

26. Juni 2025
Reinhard Meier
Reinhard Meier
Selenskyj, Trump
Selenskyj und Trump treffen am Rande des Nato-Gipfels in Den Haag am Mittwoch zu einem längeren Gespräch zusammen. (Foto: Keystone/EPA/UKRAINIAN PRESIDENTIAL PRESS SERVICE)

Präsident Trump erntet einiges Lob, dass er Israel und Iran nach dem US-Bombeneinsatz gegen Irans Atomanlagen zu einem vorläufigen Stopp ihres Luftkrieges gezwungen habe. Von einem ähnlich resoluten Engagement Trumps für die Durchsetzung eines Waffenstillstandes in der Ukraine durch Druck auf den Aggressor Putin ist auch nach dem Nato-Gipfel wenig zu erkennen. 

Ganz mit leeren Händen musste der ukrainische Präsident Selenskyj zwar nicht als Gast beim jüngsten Nato-Gipfeltreffen in Den Haag abreisen. Anders als bei der in der Woche zuvor anberaumten Konferenz der G-7-Staaten in Kanada, von der Trump vorzeitig abgereist war, fand der US-Präsident in der niederländischen Hauptstadt immerhin Zeit zu einem längeren Gespräch mit dem Besucher aus der vom Krieg schwer bedrängten Ukraine. Selenskyj bezeichnete den Austausch optimistisch als «lang und substanziell». Man habe auch über das Thema Waffenstillstand und über die Möglichkeit gesprochen, dass die Ukraine Waffen in den USA kauften. Trump meinte, das Gespräch hätte «nicht netter sein können». Laut ukrainischen Quellen, soll Trump auch gesagt haben, er werde bald wieder mit Putin reden. Und er werde prüfen, ob die USA weitere Patriot-Luftabwehrsysteme an die Ukraine liefern könnten. 

Kiews Nato-Mitgliedschaft kein Hauptthema 

Doch in der Schlusserklärung des Nato-Gipfels wird auf die Ukraine und den seit über drei Jahren tobenden Krieg in diesem Land nur mit einem einzigen, langen Satz Bezug genommen: Die Alliierten bestätigen ihre andauernde individuelle Verpflichtung, die Ukraine zu unterstützen, «deren Sicherheit auch zu unserer eigenen» beitrage; direkte Beiträge zur ukrainischen Verteidigung könnten bei der Berechnung der nationalen Verteidigungsausgaben einbezogen werden. 

Diese letztere Bemerkung scheint von einiger Bedeutung für die Diskussion um die Höhe der Militärausgaben, die auf Trumps Drängen hin auf fünf Prozent jährlich pro Nato-Mitglied festgeschrieben wurde, was als grosser Erfolg des US-Präsidenten gefeiert wird. Die Anrechnung dieser Ukraine-Hilfe bei der Zahlenakrobatik um diese Verpflichtung könnte geeignet sein, einige Nato-Mitglieder zu motivieren, ihre materielle und militärische Unterstützung Kiews erheblich aufzustocken.

Indessen ist in dem Nato-Communiqué, anders als noch vor einem Jahr, nicht mehr davon die Rede, dass die Ukraine sich auf einem «unumkehrbaren Weg» zur Mitgliedschaft in diesem Bündnis befinde. Diese Auslassung geht offenkundig auf Betreiben Washingtons zurück, nachdem Trump schon früher deklariert hatte, ein ukrainischer Nato-Beitritt komme für ihn nicht in Frage. Für die Ukraine muss die Absenz dieses Themas kein irreparabler Schaden sein. Denn erstens ist die Zielvorstellung einer späteren Nato-Mitgliedschaft ja nicht grundsätzlich gestrichen worden. Und zweitens eröffnet diese deklamatorische Lücke mehr Spielraum für eventuelle Verhandlungen mit dem Putin-Regime, das jeden Gedanken an eine Nato-Anbindung der Ukraine kategorisch zurückweist – und überdies behauptet, die Möglichkeit einer solchen Perspektive sei ein zentraler Grund für seinen Überfall auf das Nachbarland. 

Moskaus unannehmbare Waffenstillstands-Forderungen

Doch bei allen Zeichen und Verlautbarungen der Sympathie und Hilfsbereitschaft, die der ukrainische Präsident beim Haager Nato-Treffen erfahren hat, fällt auf, dass Präsident Trump die Beschäftigung mit dem blutigen Ukraine-Krieg und den begonnenen Austausch mit dem Kremlchef über einen baldigen Waffenstillstand heute bestenfalls als ein zweitrangiges Thema auf seiner Agenda einstuft. Man kann es zwar bei wohlwollender Betrachtung für einen gewissen Fortschritt betrachten, dass seit Trumps zweitem Amtsantritt im Weissen Haus überhaupt ein solcher Austausch auf höchster Ebene in Gang gesetzt wurde. Aber andererseits hat Trump die von ihm selber geschürten Erwartungen über die rasche Durchsetzung eines zumindest temporären Waffenstillstandes in der Ukraine bitter enttäuscht. 

Schon vor mehr als einem Monat hatte er in Übereinstimmung mit Selenskyj dem Kreml einen sofortigen und bedingungslosen Waffenstillstand vorgeschlagen. Er führte dazu mehrere Telefongespräche mit Putin, und sein Unterhändler Steve Witkoff, ein New Yorker Immobilienunternehmer, reiste mindestens dreimal nach Moskau, um mit dem Kremlchef die Möglichkeiten einer Waffenpause auszuloten. Aber trotz anbiedernden Verlautbarungen von Trump und seinem Umkreis über den russischen Aggressor reagierte Moskau stets ausweichend auf den amerikanischen Waffenstillstandsvorschlag. 

Man könne sich erst darauf einlassen, wenn gleichzeitig die «Grundursachen» für diesen Krieg beseitigt würden, hiess es. Putins Sprecher verlangten neben einem definitiven Verzicht der Ukraine auf einen Nato-Beitritt die offizielle Abtretung von vier ukrainischen Provinzen und der Krim, eine einschneidende Begrenzung der ukrainischen Streitkräfte und neuerdings auch den Verzicht Kiews auf westliche Waffenlieferungen oder gar deren Rückgabe. 

Auch Trumps Prestige steht auf dem Spiel

Praktisch laufen solche Forderungen auf eine Kapitulation der Ukraine hinaus. Die Ukraine müsste sich quasi selbst entwaffnen und könnte sich bei neuen russischen Angriffen nicht mehr ernsthaft zur Wehr setzen. Damit ist überdeutlich geworden, dass Moskau zurzeit kein ernsthaftes Interesse an einem baldigen Waffenstillstand in der Ukraine hat. Putin tanzt dem amerikanischen Präsidenten, der ein schnelles Ende des Ukraine-Krieges versprochen hatte, in dieser Frage auf der Nase herum – obwohl er offenkundig gleichzeitig bemüht ist, den neuen Herrn im Weissen Haus nicht allzu heftig vor den Kopf zu stossen, weil er sich von ihm Wohlwollen und Verständnis über das ukrainische Problemfeld hinaus verspricht. 

Bleibt die Frage, wie lange sich der rastlose Aktivist Trump mit dieser Blockierung eines weitherum ersehnten Waffenstillstands im Ukraine-Krieg abfinden wird. Dass auch sein Prestige tangiert wird, wenn trotz seiner vollmundigen Versprechungen das Töten und die Zerstörungen in diesem Land endlos weiter andauert  und Putin im schlimmsten Falle als Sieger daraus hervorgeht, dürfte auch Trump bewusst sein. Wird er eines Tages gegenüber dem Kreml ebenso lautstark auf den Tisch hauen und den Machthaber zur Einhaltung einer Waffenruhe treiben, wie er das vor kurzem an die Adresse der iranischen und israelischen Führung praktiziert hat? Ganz auszuschliessen ist das nicht, denn Trump hatte noch im Wahlkampf beteuert, dass er sich zu einer massiven Aufrüstung der Ukraine entschliessen könnte, wenn man in Moskau für seine Bemühungen um einen Waffenstillstand kein Gehör zeige. 

Zunehmende Hilfe der Europäer an Kiew

Noch gibt es zwar auch nach dem offenbar eher ruhigen und vernünftigen Gespräch zwischen Trump und Selenskyj in Den Haag keine greifbaren Indizien für eine energischere Gangart Trumps gegenüber dem Kriegstreiber im Kreml. Die nach Beginn des russischen Überfalls vor bald dreieinhalb Jahren weitaus umfangreichste und effizienteste Waffenhilfe der USA für die Ukraine ist seit Trumps Amtsantritt am Auslaufen und neue Zusagen sind höchst ungewiss. Doch der Ukraine droht deswegen keine militärische Hilflosigkeit. Wie das Kieler Institut für Weltwirtschaft in seiner seit Kriegsbeginn detailliert geführten Statistik nachweist, haben die militärischen und finanziellen Hilfszusagen der Europäer erheblich zugenommen und sind geeignet, den nachlassenden US-Nachschub zu kompensieren. 

Ob dieses insgesamt verstärkte Engagement der europäischen Nato-Mitglieder auch den Aggressor im Kreml in absehbarer Zeit zur Einsicht bringen könnte, seinen mörderischen Feldzug im Nachbarland zumindest für einen temporären Waffenstillstand zu unterbrechen, ist absolut unberechenbar. Ebenso wie Trumps Bereitschaft, gegenüber Putin ähnlich scharfe Töne anzuschlagen, wie er das vor wenigen Tagen gegenüber den Kampfhähnen in Teheran und Jerusalem getan hat.

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