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Kommentar 21

Stilfragen

27. Januar 2022
Urs Meier
Pierin Vincenz
Der ehemalige Raiffeisenchef Pierin Vincenz erscheint zum zweiten Tag des Raiffeisen-Prozesses am Mittwoch, 26. Januar 2022, in Zürich. (Keystone, Michael Buholzer)

Pierin Vincenz wollte aus der langweiligen Genossenschaftsbank einen schnittigen Big Player machen. Ob er sich strafbar gemacht hat, steht dahin. Klar ist: Er hat sich im Stil vertan. Hat aber das Verfahren tatsächlich das Zeug zum grössten Wirtschafts-Kriminalfall der Schweiz, wie manche Beobachter meinen? Das scheint denn doch etwas weit hergeholt.

Passenderweise im Theatersaal des Zürcher Volkshauses hat der lange erwartete Prozess gegen den einstigen Raiffeisen-Boss Pierin Vincenz und weitere Angeklagte begonnen. Hat das Verfahren tatsächlich das Zeug zum grössten Wirtschafts-Kriminalfall der Schweiz, wie manche Beobachter meinen? Das scheint denn doch etwas weit hergeholt. Noch herrschen Zweifel, ob das gewiss anrüchige Gebaren des smarten Bündners auch strafrechtlich fassbar sei. Die stehende Formel «Es gilt die Unschuldsvermutung» hängt in diesem Fall wie ein düsteres Omen über dem Prozess.

Pierin Vincenz eine schillernde Persönlichkeit zu nennen, wäre eine unzulässige Verharmlosung. Der Mann mit dem Haifischlächeln wollte um buchstäblich jeden Preis die solide, aber langweilige Raiffeisen-Genossenschaft zum schnittigen Big Player und sich selbst zum Star der Finanzwelt machen. Die Kränkung, mit seiner «total compensation» aus Gehalt und Boni als Chef der drittgrössten Bank der Schweiz weit hinter den Kapitänen der globalen Finanzhäuser zurückzubleiben, hat Vincenz mit forciertem Promi-Gehabe aufzuwiegen versucht.

Von dem so sehr gesuchten Scheinwerferlicht bekommt Vincenz jetzt vielleicht mehr, als ihm lieb ist. Er steht da als Inbegriff der Geld- und Machtgier, als der Newcomer, der sogar noch in der nicht eben von Mässigung geprägten Finanzbranche aus dem Rahmen gefallen ist. Sein Pech, dass er es nicht verstanden hat, den Expansionsdrang seines Egos in jenem Rahmen zu halten, der gerade noch toleriert wird. Vincenz war gewiss nicht massloser als die Big Shots der Branche, aber er machte halt den Fehler, dieses Ego überaus sichtbar in Szene zu setzen.

Pierin Vincenz scheiterte an Stilfragen. Es ist nicht guter Stil, den Verwaltungsrat so offensichtlich zu missachten, wie er es tat. Es ist auch nicht guter Stil, geltende Regeln und Rote Linien einer ehrbaren Geschäftstätigkeit in demonstrativer Eigenmächtigkeit zu überschreiten. Und es ist definitiv ganz schlechter Stil, Kunden mit überteuerten Geschenken und anrüchigen Expeditionen ins Rotlichtmilieu zu kompromittieren und dadurch an sich zu binden.

Guter Stil im Geschäftsleben ist noch keine Garantie für rechtliche und moralische Untadeligkeit. Es gibt ja bekanntlich den Gentleman-Gangster und den gesellschaftlich hochgeachteten Abzocker. Aber schlechter Stil ist immer ein Indiz für dubiose Moral und häufig auch für rechtliche Schlampereien und Schlimmeres.

Mag Pierin Vincenz allenfalls den Prozess – oder die Prozesse – überstehen und seine zu vermutende rechtliche Unschuld attestiert bekommen: Was die Stilfrage betrifft, ist das Urteil gesprochen.

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