Die Schweiz liegt beim Fleischkonsum zwar im weltweiten Vergleich nur im oberen Mittelfeld, aber immer noch weit über der empfohlenen Menge. Die Massen von billigem Fleisch haben einen hohen Preis. Für Umwelt und Klima und nicht zuletzt für die Tiere.
Das von der EAT-Lancet-Kommission empfohlene durchschnittliche Maximum von 15,6 Kilogramm Fleisch pro Kopf und Jahr ist in der Schweiz bereits Ende April überschritten worden. Vom Säugling bis zur Greisin verbrauchen die Einwohner unseres Landes jährlich knapp 51 Kilogramm, ein Kilo pro Woche. Das ist gegenüber den Spitzenwerten der 1980er-Jahre von etwa 60 Kilogramm schon eine leichte Verbesserung, aber immer noch mehr als das Dreifache der empfohlenen Menge.
Mit Ihrer Planetary Health Diet schlägt die EAT-Lancet-Kommission eine Ernährungsweise vor, mit der im Jahr 2050 zehn Milliarden Menschen auf diesem Planeten gesund ernährt werden können, ohne die natürlichen Lebensgrundlagen und das ökologische Gleichgewicht zu schädigen. Sie geht dabei von einem täglichen Energiebedarf von 2’500 kcal aus, der überwiegend mit pflanzlichen Produkten und Ergänzungen durch Fleisch, Fisch und Milchprodukte gedeckt werden soll. Regionale und kulturelle Besonderheiten sowie individuelle Bedürfnisse können dabei berücksichtigt werden.
Unter Ernährungs- und Umweltgesichtspunkten ist der weltweite Fleischkonsum zu hoch – viel zu hoch! Mit Werten von bis zu 130 Kilogramm pro Kopf und Jahr betreiben die Spitzenreiter Hongkong, USA, Australien, Argentinien und Spanien regelrechte Fleischexzesse und verzerren die Massstäbe des Normalen ins Groteske.
Der globale Fleischkonsum steigt denn auch stark an. Lag 1961 das gesamte Schlachtgewicht noch bei 71 Millionen Tonnen, so erreichte es fünfzig Jahre später schon das Fünffache dieses Werts – die Weltbevölkerung wuchs in dieser Zeit aber «nur» um das 2,7-Fache. Damit ist nicht etwa ein Peak erreicht; vielmehr geht der Anstieg ungebremst weiter.
Dass übermässiger Fleischkonsum der Gesundheit nicht gut bekommt, ist dabei noch das kleinste der Probleme. Wirklich schlimm sind einerseits die ökologisch-klimatischen Folgen und andererseits die Missachtung des Tierwohls.
Die Massenhaltung von Tieren ist mit immensem Ressourcenverbrauch sowie umwelt- und klimaschädlichen Emissionen verbunden. 15 Prozent des menschengemachten CO2-Ausstosses stammen aus Tierhaltung. Zum Vergleich: Der in diesem Zusammenhang skandalisierte Flugverkehr ist für etwa drei Prozent der Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich. Zurückhaltung beim Fleischkonsum ist die einfachste und wirkungsvollste Weise, wie Einzelpersonen einen Beitrag zum Klimaschutz leisten können.
Fleischproduktion ist eine höchst ineffiziente Art der Eiweissversorgung für die menschliche Ernährung. 57 Prozent des Schweizer Getreides wird zu Viehfutter. Bei der Fleischerzeugung gehen 90 Prozent des im Futter vorhandenen Proteins verloren, ebenso 99 Prozent der Kohlenhydrate und 100 Prozent der Faserstoffe. Eine wichtige Futterbasis der globalen industriellen Tierhaltung ist Soja. 77 Prozent des weltweit angebauten Soja wird an Tiere verfüttert. Mit 9 kg Soja kann wahlweise produziert werden:
- 1 kg Rindfleisch
- 2,4 kg Schweinefleisch
- 13,6 kg Tofu (dem Rindfleisch beim Eiweissgehalt vergleichbar)
Der steigende Sojabedarf für Tierfutter erfordert ein starkes Wachstum der Anbauflächen, dem in Südamerika ständig weite Regenwaldgebiete zum Opfer fallen. Grossflächige Abholzungen sind einer von mehreren Faktoren für die Klimaschädlichkeit der Fleischproduktion. Zudem belasten hoher Wasserverbrauch (99 Prozent davon für die Futtermittelerzeugung) und die Unmengen von Mist und Gülle die Umweltbilanz der Massentierhaltung.
Die Konsumexzesse an den Fleischtheken schädigen aber nicht nur Gesundheit und Lebensumstände der Menschen, sondern führen auch zu Entwürdigung und schrecklichem Leiden der Tiere. Ab und zu wird die Öffentlichkeit aufgescheucht durch Skandale bei der Haltung, dem Transport und der Schlachtung sogenannter Nutztiere.
Der Begriff – er erinnert an den des Nutzfahrzeugs – sagt es schon deutlich genug: Diese Kreaturen gelten als Sachen, nicht als empfindungsfähige Lebewesen. Tierschutz wird zwar moralisch postuliert und gesetzlich angeordnet, hat aber immer wieder das Nachsehen gegenüber den Anforderungen der rationellen und rentablen Produktion. In ihrer Mehrheit wollen die Konsumenten nichts wissen von Bio und artgerechter Haltung. Sie wollen einfach Fleisch, viel und billig.
Ställe, in denen Tiere auf Spaltenböden so dichtgedrängt stehen, dass sie auf ihresgleichen aggressiv werden; haltungsbedingte Krankheiten, die mit generellem Einsatz von Antibiotika und Psychopharmaka bekämpft werden (mit entsprechenden Rückständen im Fleisch); tagelange qualvolle Transporte ohne genügend Luft und Wasser; Horrorszenen bei der industriellen Schlachtung – das sind nicht Einzelfälle, sondern Routinezustände, die von der Fleischindustrie gegen die Öffentlichkeit sorgsam abgeschirmt werden.
Vielleicht kommt eine Zeit, in der wir auf den heutigen Umgang mit Tieren mit ähnlichem Entsetzen zurückblicken, wie wir heute die einstmals als selbstverständlich betrachtete Sklaverei verabscheuen.