
«Ein Freiflug durch den Schornstein in Auschwitz», ein «kostenloser Genickschuss» oder ein «einjähriger Aufenthalt in Dachau» waren die Offerten, die der Parteichef der «Freien Wähler» und amtierende Stellvertretende Ministerpräsident des Bundeslandes Bayern Hubert Aiwanger in seiner Jugend als Gymnasiast im Herbst 1987 den wenigen überlebenden Juden in Europa mehr oder weniger scherzhaft anzubieten hatte.
Als in diesen Tagen diese Hetzschrift von der «Süddeutschen Zeitung» ausgegraben wurde, konnte sich Hubert Aiwanger zunächst in keiner Weise daran erinnern – Gedächtnislücken gehören mittlerweile auch auf der Ebene des Bundeskanzlers zu den Mitteln politischer Karriere. Aber Hubert Aiwanger redet sich jetzt zusätzlich damit heraus, dass ja gar nicht er, sondern sein Bruder Helmut der Verfasser dieser Hetzschrift sei. Es hat allerdings erstaunlich lange gedauert, bis seinem Bruder Helmut nach mehrmaligen Rückfragen der «Süddeutschen Zeitung» dieser alles andere als marginale Umstand wieder eingefallen ist.
Doch würde sich auch heute niemand darüber wundern, wenn Hubert Aiwanger in Tat und Wahrheit der wirkliche Verfasser dieser Hetzschrift, dessen pathologische Elemente sämtliche Psychiater Deutschlands auf den Plan rufen müssten, gewesen wäre. Denn sein Sound ist bis heute der gleiche. Er hetzt als gewählter Volksvertreter im Stil Donald Trumps gegen die Demokratie und jede vernunftgeleitete Politik. – Herrn Söder sollte das eigentlich schon vor dem Flugblatt-Eklat bekannt sein.
Nun darf man gespannt sein, wie Markus Söder diese Herausforderung meistert. Für Dienstag Vormittag hat er die Fraktion der «Freien Wähler» samt ihres Vorsitzenden «einbestellt». Für Söder geht es um viel: Jagt er die «Freien Wähler» in den Orkus, ist er seine Mehrheit in Bayern los. Tut er es nicht, kann er das Liebäugeln mit einer Kanzlerkandidatur für die nächste Bundestagswahl vergessen. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz wird die bayerischen Querelen genau beobachten.