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Sprach-Akrobatik

Schöpferische Kombinationen

10. Januar 2014
Urs Meier
Das Deutsche ist kontaktfreudig. Es kennt viele feste Wortverbindungen und erlaubt die Erfindung immer neuer Kombinationen.

Zusammengesetzte Wörter sind eine Stärke unserer Sprache. Steht ein Wort grundsätzlich für eine Sache – ein Ding, eine Tätigkeit, eine Eigenschaft oder ein Hinweis – so dienen Verbindungen aus zwei oder mehr Wörtern der schlanken Addition von Bedeutungen. «Tischbein» fügt dem Hinweis auf den Tisch die Präzisierung hinzu, dass es nur um dessen einen Teil geht. Das ist praktisch, präzis und kurz.

Verwaltungsidiome treiben es mit Wortverbindungen mitunter etwas gar weit. «Wegrechtserwirkungsklageeinreichungsformular» wäre, so er denn gebraucht würde, immer noch ein verständlicher und in Anbetracht seines komplizierten Sinnes sogar kurzer Ausdruck. Trotzdem wollen wir froh sein, wenn niemand so redet. Das normale Sprachempfinden weiss zu unterscheiden, was als Begriff einer Fachsprache akzeptabel ist und was zur Karikatur wird.

Manchmal können Wortzusammensetzungen aber sogar mehr als nur Bedeutungen koppeln. «Atempause» ist als Wort reicher als die blosse Summierung seiner Bestandteile. Gerade solche Composita, die sich durch einen inhaltlichen Mehrwert auszeichnen, sind vielfach im Sprachgebrauch so heimisch, dass man ihre Fugen kaum bemerkt: «Apfelbaum», «Sonnenstrahl», «Schicksalsschlag» und viele weitere deutsche Wörter sind regelrecht zusammengewachsen.

Andere Wörter zeigen hingegen ihre Mehrgliedrigkeit demonstrativ vor. Es sind oft Neubildungen, die mit ungewöhnlichen Kombinationen auffallen und so etwas besonderes ausdrücken: «Problembär», «Armutsmigrant», «Nullrunde», «Ökoterrorist», «Signalwirkung» – da sind die Fugen zwischen den Wörtern sichtbar und sollen es auch sein, weil sie etwas zum Bedeutungsgehalt beisteuern. Oft wird sogar diese Spannung zur dominanten Aussage: «Finanzierungsautomatismus» oder «Kasinokapitalismus» sind politisch aufgeladene Wörter, die aus ihrer Zusammensetzung eine diskursive Sprengkraft gewinnen.

Neubildungen bereichern die Sprache und tragen zu ihrer Lebendigkeit bei. Selbstverständlich können sie auch verunglücken. «Negativwachstum» ist zwar auffällig, aber halt auch arg schönrednerisch. «Flächendeckend» wirkt auf peinliche Art grossspurig. «Patientengut» ist indiskutabel. – Wer den Wörtern zuhört, merkt schnell, wes Geistes Kind sie sind.

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