Russlands und Chinas gemeinsame Interessen

Ein neues Internet-Gesetz in Russland zur Domestizierung – sonst Vertreibung – von Google & Co. gibt Anlass, die gemeinsamen Ziele und Mittel der Autokratien in Russland und China zu beleuchten. Haben sich Putin und Xi-Jinping abgesprochen, den militärischen Druck auf die Ukraine und Taiwan gleichzeitig zu erhöhen? Wollen sie so die USA und Europa mit einer Mehrfrontenkrise zu überfordern?

Formell wohl kaum, dass ein solches Zusammengehen aber beiden zur Abwehr ihres grössten Alptraums höchst willkommen erscheint, ist offensichtlich. Beide fürchten nichts so sehr wie funktionierende Demokratien nach westlichem Muster an ihren Grenzen.

Alptraum Demokratie

Für China gilt dies mit Blick auf Taiwan ebenso wie auf ein unter der Ägide von Seoul geeintes Korea. Für Russland gilt dies, was die (trotz starkem Oligarchen-Einfluss) sich einer funktionierenden Demokratie, damit Europa und der EU annähernden Ukraine anbelangt. Ähnliche Befürchtungen sind gegenüber Weissrussland mit im Spiel, wie die Rettung Lukaschenkos vor dem Volkszorn durch Putin gezeigt hat.

Zur Abwendung des gemeinsamen Alptraums sind alle Mittel recht. Militäraktionen, welche unkontrolliert zu grösseren Konflikten ausufern können, sind das gröbste Instrument. Invasionen in die Ukraine respektive in Taiwan erscheinen, jedenfalls in westlicher Logik und in Bezug auf die unmittelbare Gegenwart, für die zwei Autokraten gewagt. Wirtschaftlich wäre ein direkter Kriegsfall wegen der damit ausgelösten Boykotte und der Störung des Weltwirtschaftsverkehrs für beide mindestens ebenso gross wie für den Westen.

Unterhalb der militärischen Schwelle bestehen aber andere und zahlreiche Druckmittel. Diese reichen von aggressiver Diplomatie – die sogenannte Wolfsdiplomatie Chinas und die offensichtlich unerfüllbaren Forderungen Russland an die Nato – über Cyberwar bis hin zur Wirtschaft im weitesten Sinn.

Decoupling

Dies ist der Hintergrund des rasch zunehmenden «decoupling», also der Trennung der chinesischen und der russischen Binnenwirtschaft von der Weltwirtschaft. In China erscheint das den dortigen Autokraten offensichtlich machbar. Vordergründig von Beijing als «common prosperity» etikettiert, dient das brutale Vorgehen gegen wichtige Teile der eigenen Privatwirtschaft der Zementierung der eigenen Partei-Vormacht. Die staatliche Transformation des früheren Star-Unternehmers Jack Ma von der Galionsfigur des chinesischen Kapitalismus zur ausbeuterischen Unperson ist das grosse Beispiel dieses Wandels in Richtung absolutes Parrtei-Monopol. Dieses Monopol sichert sich die Kommunistische Partei, bei der eine relativ schmale Führungskaste Macht und Geld für sich und ihre Familien reserviert. 

Für Russland ist dieses «decoupling» schwieriger, da es über keine vollständige Konsumgüterindustrie verfügt und auf den Export seines dominierenden wirtschaftlichen Reichtums, seine Bodenschätze, angewiesen ist. Immerhin wartet die chinesische Industrie nur darauf, den russischen Markt, im Gegenzug zu Gas, Öl und Kohle, mit ihren Produkten zu überschwemmen. Ein gemeinsames Interesse der beiden Autokraten also auch hier. 

Informationsmonopol

Das höchste Ziel für die beiden Grossmächte, auch ihre Bevölkerung vom Westen und seinen Werten abzutrennen, ist es, das absolute Informationsmonopol über ihr Land zu sichern. Dies wird erreicht durch die Konstruktion nationaler Internet-Käseglocken, welche jede virtuelle Kommunikation und Information der eigenen Bevölkerung von und mit der Aussenwelt verunmöglicht. China ist seit geraumer Zeit daran, via Internationale Uno- und Fachorganisationen das Prinzip nationaler Monopole für das Internet zu verankern, also das World Wide Web (www) zu zerschlagen. Moskau begibt sich mit dem eingangs erwähnten neuen Gesetz auf denselben Weg.