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Jugend schreibt

Man hat entschieden, dass etwas getan werden muss

6. Juni 2018
Sara Beeli

Gewaltakte, Rassismus, Sexismus und Umweltkatastrophen beherrschen die Welt. Zum Glück ist man sich einig, dass etwas getan werden muss. Und jetzt?

Journal21.ch will die Jungen vermehrt zu Wort kommen lassen. In der Rubrik „Jugend schreibt“ nehmen Schülerinnen und Schüler des Zürcher Realgymnasiums Rämibühl regelmässig Stellung zu aktuellen Themen.

Sara Beeli ist sechzehnjährig und besucht die fünfte Klasse des Realgymnasiums Rämibühl. Sie ist Gewinnerin des regionalen „Jugend-debattiert“-Wettbewerbes 2017 und vertrat den Kanton Zürich am nationalen Finale in Bern.

                                            ***

Tagtäglich erreichen uns Nachrichten, die entsetzlicher kaum sein könnten. Gewaltakte, Rassismus, Sexismus, die Zerstörung unseres Planeten – die Auswahl ist schier unendlich. Doch zum Glück herrscht Einigkeit, dass  unverzüglich und mit aller Vehemenz etwas dagegen unternommen werden muss. Was geschieht nun folglich konkret? Die Antwort ist simpel: rein gar nichts.

Es ist kaum zwei Monate her, dass in Syrien ein Giftgasanschlag verübt wurde. Weltweit bekundeten Politiker, Prominente und Millionen von Menschen auf der ganzen Welt ihr Entsetzen und ihre Trauer. Ein Sondertreffen wurde eiligst einberufen, alles mit Rang und Namen strömte voller zur Schau gestellter Betroffenheit herbei, um gegen die entsetzliche Situation vorzugehen. Donald Trump kündigte eine „schlagkräftige“ Antwort an, einen militärischen Angriff seitens der USA.

Leere Drohung

Inzwischen kann getrost festgehalten werden, dass ein solcher weder geschehen ist noch geschehen wird, trotz weiterer dramatischen Handlungen des Präsidenten: Harsche Worte, die von zukünftigen Handlungen sprachen, welche nie stattfinden sollten. Wie so oft entpuppte sich die Drohung als leer, wie sonst auch zog die internationale Empörung keinerlei Konsequenzen nach sich.

Trumps Vorgehensweise widerspiegelt, was millionenfach geschieht. „Thoughts and prayers“, so lautet der wohl meistgenutzte Ausdruck von Mitgefühl, dem schon vor allzu langer Zeit jegliche Glaubwürdig- und Ernsthaftigkeit geraubt wurde, ehe er zu einer hohlen Floskel verkam. Ändert sich durch den Sprechakt denn irgend etwas für die Betroffenen? Wird irgendein Fortschritt erzielt, ein Handeln erzwungen? Nein.

Feige Taktik

„Es muss etwas getan werden!“ ist unser schützender Tarnanzug, der dafür sorgt, dass wir unbeschadet aus der schmutzigen Sache herauskommen. Es soll zeigen, dass ich mich einsetze und  Verantwortung zeige, dass ich ein guter, tatkräftiger Mensch bin. In Wahrheit bedeutet „Es muss etwas getan werden“, dass ich nichts tue.  Und so bleibt es bei leeren Drohungen, internationalen Treffen ohne oder mit scheinbaren Entscheidungen, medialer Empörung, kollektiver Betroffenheit. „Thoughts and prayers“ heisst, dass nichts geschieht.

Jede und jeder von uns trägt einen Teil dazu bei, dass diese feige Taktik aufgeht. Statt zu fragen, wie lange noch, haben wir längst akzeptiert, dass unsere Welt so funktioniert. Wir haben uns angepasst, spielen das Theater mit. Lese ich einen Artikel über eine Schiesserei in einer amerikanischen Schule, denke ich mir: „Ach nein, das ist furchtbar. Die armen Angehörigen der Ermordeten, die armen, traumatisierten Überlebenden. Da muss man doch was tun.“

Ich will nicht in einer Welt leben, die Gräueltaten ungesühnt über sich ergehen lässt. Und dennoch: Nach der Fertigstellung dieses Artikels werde ich je nach Wetter in den See springen oder einen Film schauen. Ich werde zu meinem Leben zurückkehren, als wüsste ich nicht, wie verabscheuungswürdig es teilweise ist. Und was tun Sie, nachdem Sie diesen Artikel zu Ende gelesen haben? Sehen Sie: Das ist ja das Fatale. 

                                                 ***

Verantwortlich für die Betreuung der jungen Journalistinnen und Journalisten von „Jugend-schreibt“ ist der Deutsch- und Englischlehrer Remo Federer ([email protected])

Weitere Informationen zum Zürcher Realgymnasium Rämibühl unter www.rgzh.ch

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