Nach linguistischer Theorie ist ein Wort ein Zeichen für eine Sache. Schön wär’s, zumindest für die Computerlinguistik. Aus der Frühzeit der Übersetzungsprogramme stammt die launige Anekdote, der Satz «Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach» aus dem Matthäusevangelium sei beim Testen einer Software wiedergegeben worden mit «The whisky is excellent, but the steak is lousy».
Der biblische Begriff «Fleisch» – für «Körperlichkeit», «physische Existenz» oder einfach «Natur» – liegt wie ein erratischer Block in der religiösen Sprache, abgelagert aus der spätantiken Gnosis. Wer von dieser entlegenen Vorstellungswelt keine nähere Kenntnis hat, kann immerhin ahnen, wovon die Rede ist. Gewiss hört man dem Wort «Fleisch» noch an, dass es die Natur des Menschen ins Zwielicht stellt.
Mit solchen vielschichtigen Begriffen geht es moderner Informatik kaum besser als den Programmen der Frühzeit. Solange Algorithmen nicht fähig sind zu ahnen, können sie auch nicht verstehen – und deshalb das Wort «Fleisch», so es denn keine handfeste Realität meint, kaum sinngemäss übersetzen.
Auch das anekdotische Scheitern am vieldeutigen «Geist» illustriert die Begrenztheit maschineller Erfassung von Sprache. Moderne Software kann wohl unterscheiden zwischen dem im Schloss spukenden, dem likörförmigen, dem eine Mannschaft beflügelnden und dem Erfinderinnen und Künstler auszeichnenden Geist. Hingegen werden auch zukünftige Technologien die feinen Übergänge und Verbindungen zwischen den unterschiedlichen Bedeutungen dieses Wortes nicht operationalisieren können. Denn wo sich die Ränder der semantischen Felder überlappen, irisieren die Bedeutungen in zusätzlichen Facetten.
So ist mit dem Wort «Geist» die Flüchtigkeit des Alkohols sprachlich in die Nähe der Ungreifbarkeit des Göttlichen gerückt; beides fügt dem Geistbegriff die Vorstellung einer immateriellen Wirkkraft hinzu. Eine andere Überlappung zwischen Bedeutungen von «Geist» zeigt sich bei der Kampfmoral einer Spieltruppe und der individuellen Genialität unbeirrten Forschens und Tüftelns; «Teamgeist» und «Erfindergeist» verweisen hier beide auf das Moment des inneren Antriebs. Und indem «Zeitgeist» das mentale Klima einer Epoche semantisch an die Seite des «Mannes von Geist» stellt, schillert in dieser Überlappung eine Qualitätsvorstellung, die das Wort «Geist» entschieden positiv besetzt – und im gegenteiligen Fall das Negative umso schärfer hervorhebt.
Derlei Bezüge im Bedeutungsspektrum von «Geist» sind augenscheinlich keine Zufälle. Sie fächern vielmehr die schwer auslotbaren Sinngehalte aus und wirken so zurück in die einzelnen Verwendungen des Wortes. «Geist» besitzt die Aura des unabgeschlossen Vieldeutigen.
Fremd gewordene alte Wörter und komplexe sprachliche Zeichen können Stolpersteine sein. Sie stehen einem lückenlos rationellen Textmanagement im Weg. Vieldeutiges und Sperriges verlangsamt und vertieft den Vorgang des Verstehens. Wörter wie «Geist» und «Fleisch» sind alte Juwelen im Sprachschatz.