Als Regierungspolitik noch etwas mit Verantwortung zu tun hatte, wäre das nicht gegangen. Am 20. August muss Griechenland eine Anleihe in der Höhe von 3,2 Milliarden Euro zurückzahlen. Das ist seit knapp einem Jahr bekannt, denn es handelt sich um einen einjährigen Schuldtitel. Er hat noch eine Besonderheit: Er wurde nicht geschnitten. Das bedeutet, die 3,2 Milliarden sind zu 100 Prozent fällig, da sie vom erzwungenen «freiwilligen» Schuldenschnitt im Frühling dieses Jahres ausgenommen wurden. Denn Besitzer des Titels ist die Europäische Zentralbank (EZB). Nostalgiker erinnern sich: Mit dieser Rettungsaktion sollten ja die Probleme Griechenlands mal wieder endgültig gelöst werden.
Wahnsinn eins
Selbst finanztechnische Laien mögen sich zunächst fragen: Wie kann es sein, dass die EZB einen Staatsschuldtitel hält? Ist das nicht streng verboten, ein Unding? Richtig, aber: na und? Dann mag man sich fragen, wieso bei einem erzwungenen «freiwilligen» Schuldenschnitt ausgerechnet die EZB davon ausgenommen wird, ist das nicht ein Unding im Unding? Richtig, aber: na und? Schliesslich mag man konstatieren: Somit ist Griechenland am 20. August definitiv pleite, denn selbstverständlich kann es den Titel nicht bedienen. Das Land ist bekanntlich bankrott, und niemand leiht ihm mehr neues Geld. Auch da ist die Antwort aber: na und?
Wahnsinn zwei
Man mag sich auch fragen, wieso eigentlich die berüchtigte Troika aus IMF, EZB und EU überhaupt in Griechenland weilt, um zu überprüfen, ob im September die nächste Tranche von 31 Milliarden «normaler» Nothilfe ausbezahlt werden kann. Und sogar von «Fortschritten» und «guten Gesprächen» schwafelt. Gespräche mit einem lebenden Leichnam? Ist das nicht auch ein Unding im Unding im Unding? Abgesehen davon: Als man die Auszahlung der nächsten Hilfstranche auf September verschob, vergass man da einfach die am 20. August fällig werdende Schuld? Die Antwort kennen wir schon: na und?
Wahnsinn mit Methode
Wenn sich Realitätsverlust mit völliger Verantwortungslosigkeit und Haftungsfreiheit paart, dann entsteht Wahnsinn mit Methode. Besser gesagt: Euro-Politik. Im Fall Griechenlands bedeutet das, dass die EZB den Hellenen das Geld leihen wird, mit dem sie die 3,2 Milliarden an die EZB zurückzahlen werden. Damit sie nicht pleite gehen, bevor sie im September nochmals 31 Milliarden bekommen, damit sie nicht im September pleite gehen. Aber die EZB darf doch Griechenland nicht direkt Geld leihen, um Geld zurückzukriegen, wenigstens das ist doch strikt verboten. Na und? Dann erfindet man halt einen kleinen Umweg, und schon geht das. Denn Zeus sei Dank hat Griechenland ja auch noch eine eigene Notenbank.
Faulster Trick
Der Trick geht so: Die griechische Notenbank begibt mit Bewilligung der EZB neue Kredite an griechische Banken. Die kaufen damit neu ausgegebene staatliche Schuldpapiere. Diese werden wiederum von der Notenbank als Sicherheit akzeptiert. Dafür darf die griechische Notenbank, eigentlich ja nur eine Filiale der EZB, mit deren Zustimmung ein paar neue Milliarden herstellen. Und der griechische Staat kann stolz die fälligen 3,2 Milliarden an die EZB zurückzahlen. Hirnrissig, fauler Trick, eine «krumme Tour», wie das der «Spiegel» nennt? Weil die EZB selbst schon längst keine Griechenschuldpapiere mehr als Sicherheiten akzeptiert. Na und? Wir reden hier doch die ganze Zeit von Euro-Politik. Bleibt vielleicht noch die Frage, was dieser ganze Wahnsinn soll.
Wahn ohne Sinn
Vor der Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts am 12. September, ob eine Beteiligung Deutschlands am Monstrum Europäischer Stabilitätsmechanismus überhaupt mit den Grundgesetz vereinbar ist, kann es sich Bundeskanzlerin Merkel nicht leisten, zusätzliche Hilfsmilliarden für Griechenland zu beantragen. Ihre Koalitionspartner CSU und FDP toben ja schon immer rabaukiger gegen Griechenland. Auch Spanien, Italien und Frankreich haben andere Probleme. Und wenn der EZB-Chef Draghi schon vollmundig angekündigt hat, dass er «alles Notwendige» tun werde, um den Euro am Leben zu erhalten, dann soll er doch.
So funktioniert heutzutage angeblich verantwortungsvolle Regierungsarbeit in der Euro-Zone. Überfahren aller Rotlichter, Rechtsbeugung bis zum Gehtnichtmehr. Begehen einer finanzpolitischen Todsünde nach der anderen. Wahn ohne Sinn. Aber mit absehbarem Ende.