Auch Gottesmänner brauchen Nestwärme. Und die bekommen sie nicht immer im Schoss der Kirche. Es ist deshalb sogar im Vatikan ein offenes Geheimnis, dass mancher katholische Geistliche zum Missfallen der gestrengen Kirchenobern das Gebot der Nächstenliebe sehr frei auslegt. Selbst das Keuschheitsgelübde schützt nicht immer davor, Vater zu werden.
Klarheit nach der Wahl
In den meisten Fällen breitet sich der Mantel der Verschwiegenheit über solche Verstösse gegen das umstrittene Zölibat. Das war auch bei Fernando Lugo lange so. Und vielleicht wüssten auch heute noch nur wenige Eingeweihte, dass er Kinder in die Welt gesetzt hat, wäre der ehemalige Bischof nicht Staatschef geworden.
2009, kurz nach seiner Wahl, beauftragte eine frühere Geliebte ihren Anwalt, eine Vaterschaftsklage gegen Lugo einzureichen. Nach anfänglichem Zögern gab der Präsident zu, dass der dreijährige Guillermo Armindo die Frucht einer inzwischen beendeten Liaison mit der mehr als 30 Jahre jüngeren Viviana C. war. Er liess das Kind im Zivilregister eintragen - was für einen Grossteil der Väter in Paraguay alles andere als selbstverständlich ist – und gelobte, ihm fürderhin ein guter Vater zu sein.
Die Mutter machte Druck
Jetzt ist, nicht ganz überraschend, noch ein Kind aufgetaucht. Lugos Rechtsanwalt gab dieser Tage an einer Pressekonferenz im Regierungspalast bekannt, dass er im Auftrag seines Mandanten die nötigen Schritte in die Wege geleitet habe, um den zehnjährigen Angel als rechtmässigen Sohn des 61 Jahre alten Staatschefs registrieren zu lassen.
Er sah sich zu diesem Schritt veranlasst, nachdem dessen Mutter Narcisa D. in der Tageszeitung "Ultima Hora" Lugos Vaterschaft enthüllt hatte. Sie sei an die Öffentlichkeit getreten, weil Angel unbedingt den Namen seines leiblichen Vaters tragen wolle und man sie in den letzten zwei Monaten daran gehindert habe, mit dem Präsidenten Kontakt aufzunehmen, sagte die 42-jährige Krankenschwester.
Nach ihrer Aussage hat Lugo Angel kennen gelernt, als dieser zehn Monate alt war und seither für ihn freiwillig Alimente bezahlt. Und jetzt, lieber spät als nie, hat er sich offenbar dazu durchgerungen, auch sonst zu ihm zu stehen – zumindest auf dem Papier.
„Mit schönen Worten verführt“
Sowohl Viviana C. als auch Narcisa D. waren Lugo im Armenbistum San Pedro begegnet, wo er von 1994 bis 2005 als Bischof wirkte. Viviana war knapp 16, als der damalige Monseñor ein Verhältnis mit ihr begann und sie „mit seinen schönen Worten verführte“. Narcisca erzählte den Medienleuten, sie habe sich an den Bischof gewandt, weil sie sich von ihm Rat für ihre Eheprobleme erhofft habe. Zudem habe sie ihn gebeten, ihr bei der Suche nach einer Arbeitsstelle zu helfen.
Lugo war bekannt dafür, dass er sich nicht bloss um den Seelenfrieden der Gläubigen kümmerte, sondern sich auch ihrer Alltagssorgen annahm. Zum Ärger des Vatikans kämpfte er immer wieder mit konkreten politischen Aktionen für mehr soziale Gerechtigkeit. Im Dezember 2006 trat er von seinem geistlichen Amt zurück, um sich ganz der Politik zu widmen.
Mit Erfolg: Er gewann 2008 die Präsidentschaftswahl und beendigte damit die sechzigjährige Vorherrschaft der durch Korruption und Klientelwesen in Verruf geratenen Colorado-Partei. Inzwischen hat er allerdings massiv an Popularität eingebüsst, weil er die meisten Hoffnungen, die er mit seiner Wahl weckte, nicht erfüllen konnte.
Die Aufregung hält sich in Grenzen
Die Enttäuschung in der Bevölkerung über die hohe Arbeitslosigkeit, Versäumnisse bei der Landreform, Lücken im Steuersystem und Mängel im Gesundheitswesen ist weit stärker als die Empörung über Lugos uneheliche Kinder. Als der erste Fall bekannt wurde, bat die paraguayische Bischofskonferenz in einem Kommuniqué um Vergebung für die Sünden ihrer Mitglieder, „für ihre Seelsorger genauso wie für ihre Gläubigen“. Diesmal erübrigt sich nach Ansicht des Bischofs von Concepción“, Zacarías Ortiz, eine Stellungnahme. „Schliesslich weiss man inzwischen ja, dass Lugo viele Kinder hat“, meinte der Kirchenmann lakonisch.
Wie viele es genau sind, scheint allerdings niemand zu wissen. Wahrscheinlich nicht einmal er selbst.