Was geschieht mit ihnen? Moskau lässt durchblicken, dass die aus dem Stahlwerk Evakuierten wegen «Kriegsverbrechen» angeklagt werden könnten. 264 Kämpfer, unter ihnen 54 Schwerverletzte, waren am Montag aus dem Werk herausgeschafft und auf russisch kontrolliertes Gebiet gebracht worden. Viele andere befinden sich noch immer im Stahlwerk selbst.
«Kriegsverbrecher»?
Mit Bussen wurden die Evakuierten in den von russischen Kräften kontrollierten Osten der Ukraine gebracht.
Die Ukraine erklärte, die evakuierten Kämpfer würden gegen russische Kriegsgefangene ausgetauscht. Ein russisches Ermittlungskomitee erklärte jedoch am Dienstag, die Evakuierten würden «verhört» und «ihre Beteiligung an Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung» würde «überprüft». Die russische Generalstaatsanwaltschaft will das Asow-Regiment, dem die meisten Asowstal-Kämpfer angehörten, als «terroristische Vereinigung» erklären.
Unklar ist, welche Abmachungen die Ukraine mit den Russen getroffen hat. Ein Mitglied des ukrainischen Verhandlungsteams sagte, die Gespräche über das Schicksal der Soldaten seien noch nicht vollständig abgeschlossen und würden noch andauern.
Kira Rudik, eine Parlamentarierin, die an den Verhandlungen über die Evakuierung beteiligt war, sagte in einem Interview am Dienstagnachmittag, dass noch kein Mechanismus für den Gefangenenaustausch ausgearbeitet worden sei.
Nicht genug russische Kriegsgefangene?
«Wir wollen, dass die Evakuierten in ein Drittland, zum Beispiel in die Türkei ausgeliefert werden», sagte sie. Aber Russland sei dagegen. «Was können wir in einer solchen Situation sonst tun? Wir müssen die Verhandlungen fortsetzen.»
Russische Kräfte hatten beim Kampf um das Stahlwerk grosse Verluste erlitten.
Es ist nicht bekannt, wie viele russische Kriegsgefangene sich derzeit in ukrainischem Gewahrsam befinden. Kira Rudik sagte, sie sei sich nicht sicher, ob die Ukraine genug Gefangene habe, um sie mit Russland auszutauschen.
Rudik betonte, dass die Ukraine vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz IKRK und von der Uno Garantien erhalten habe, dass es den auf russisches Territorium evakuierten Soldaten gut gehen werde. «Das war der einzige Grund, warum wir zugestimmt haben, denn die Soldaten waren bereit, bis zum Ende zu gehen», sagte sie.
Die Angst der Angehörigen
Noch sei unklar, ob die im Stahlwerk verbliebenen Kämpfer nach den russischen Drohungen bereit seien, sich zu ergeben, sagte Rudik. Allerdings sei ihre Alternative «wahrscheinlich der sichere Tod».
«Ich warte auf Nachrichten und bete», sagte Natalia Zarytska, die zu einer Delegation von Ehefrauen und Müttern gehört, deren Männer im Asowstal-Werk waren oder sind.
Russland veröffentlichte ein Video, das zeigt, wie die Schwerverletzten medizinisch behandelt werden. Alle seien ins Spital von Nowoasowsk gebracht worden, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums Igor Konaschenkow. Zum Aufenthaltsort der Nicht-Verletzten machte er keine Angaben.
Ehefrauen und Mütter der Evakuierten erklärten, dass 2014 im Donbass zahlreiche ukrainische Soldaten gefangen genommen worden seien. Damals, nach der Annexion der Krim durch Russland, hatten im Osten des Landes pro-russische Kämpfer die «Volksrepubliken» Luhansk und Donezk ausgerufen. Viele der gefangen Genommenen seien jahrelang festgehalten worden, erklären die Ehefrauen und Mütter.
Offizielle Beitrittsgesuche
Finnland und Schweden haben am Mittwochmorgen offiziell ihre Anträge auf Mitgliedschaft in der Nato eingereicht. Damit haben sie ihre jahrzehntelange strategische Neutralität aufgegeben.
Finnische und schwedische Abgesandte überreichten Generalsekretär Jens Stoltenberg in der Brüsseler Zentrale des Militärbündnisses Briefe. Darin bekundeten sie das Interesse ihrer Länder an einem Nato-Beitritt. Stoltenberg erklärte, die Nato werde sich bemühen, beide Staaten in einem Schnellverfahren aufzunehmen.
In beiden nordischen Staaten ist die Zustimmung der Bevölkerung zur Nato rasant gewachsen. Sollten Finnland und Schweden aufgenommen werden, wäre dies die bedeutendste Erweiterung der Nato seit fast zwei Jahrzehnten. Die Mitgliederzahl der Organisation würde sich auf 32 Staaten erhöhen und die Grenze zu Russland um Hunderte von Kilometern erweitern.
Tschetschenische Kämpfer
Schon bei Kriegsbeginn erklärte der tschetschenische Führer Ramsan Kadyrow, tschetschenische Truppen würden auf Seiten der Russen kämpfen. Jetzt bestätigt das britische Verteidigungsministerium, dass wahrscheinlich «Tausende» tschetschenischer Kämpfer in Mariupol und Luhansk im Einsatz sind. Dies unterstreiche, dass die Russen ein «erhebliches Ressourcenproblem in der Ukraine» haben. Nach Angaben des britischen Verteidigungsministeriums vom Mittwoch haben die russischen Streitkräfte in Mariupol «kostspielige personelle Verluste» erlitten. Dies führte dazu, dass Russland «in erheblichem Umfang auf Hilfskräfte» zurückgreifen musste.
Raketen statt Terraingewinne
«Russland feuert Langstreckenraketen auf zivile und militärische ukrainische Ziele, weil seine Armee keine nennenswerten Erfolge vor Ort vorweisen kann», erklärte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj in seiner täglichen Video-Ansprache.
«Dies ist eine Art Versuch der russischen Armee, eine Reihe von Misserfolgen im Osten und Süden unseres Landes zu kompensieren.»
«Sie können in den Gebieten, in die sie vorzudringen versuchen, keinen Erfolg erzielen. Also versuchen sie, den Erfolg mit ihren Raketen zu demonstrieren. Ebenfalls vergebens.»
(Wird laufend aktualisiert)
Journal 21