Bei einem Bombenanschlag auf eine Schule nahe der ostukrainischen Stadt Luhansk sind sechzig Menschen ums Leben gekommen. Der Gouverneur der Region erklärte, ein russisches Kampfflugzeug habe am Samstagnachmittag eine Bombe auf die Schule abgeworfen. Dutzende Menschen hatten im Keller des Gebäudes Zuflucht gesucht.
Wird laufend aktualisiert
- Schule bei Luhansk bombardiert
- Medienkonferenz der Asowstal-Kommandanten
- «Eine Kapitulation kommt nicht in Frage»
- Noch immer 1500 bis 2000 Kämpfer im Stahlwerk
- Frauen, Kinder und ältere Menschen evakuiert
- Jill Biden auf ukrainischem Boden
- «Alle erwarten, dass morgen etwas passiert»
- Regen am 9. Mai in Moskau
- Ukrainische Offensive bei Charkiw
- Russische Geländegewinne bei Slowjansk
- Kampfvorbereitungen in Transnistrien
Schule bei Luhansk bombardiert
Der Gouverneur der Region Luhansk, Serhiy Gaidai, erklärte, dass sich etwa 90 Menschen in dem Gebäude in Bilohoriwka befunden hätten. 30 wurden gerettet, sieben schwer verwundet.
In der Region Luhansk finden heftige Kämpfe zwischen russischen und prorussischen Truppen und ukrainischen Verbänden statt. Die Russen versuchen, die Regierungstruppen einzukesseln.
Bilohoriwka liegt in der Nähe der von der Regierung kontrollierten Stadt Sewerodonezk, wo am Samstag schwere Kämpfe in den Vororten gemeldet wurden.
Die Explosion brachte das Gebäude zum Einsturz. Feuer brach aus. Serhiy Gaidai sagte, das ganze Dorf habe im Keller der Schule Zuflucht gesucht.
Ein grosser Teil der Region Luhansk, die zum ostukrainischen Donbass gehört, steht seit acht Jahren unter der Kontrolle der prorussischen Separatisten.
Jill Biden überraschend in der Ukraine
Die amerikanische First Lady ist überraschend in die westukrainische Stadt Uschorod gereist und ist dort mit der Frau von Präsident Wolodimir Selenskyj zusammengetroffen. Uschorod liegt im Dreiländereck zwischen der Ukraine, Polen und der Slowakei. Jill Biden und Olena Selenska hätten eine Stunde lang miteinander diskutiert, erklärten Journalisten. «Ich wollte zum Muttertag kommen. Ich dachte, es sei wichtig, dem ukrainischen Volk zu zeigen, dass dieser Krieg aufhören muss.» Die USA stünden an der Seite der Ukraine. Selenska habe Biden für den «mutigen» Besuch gedankt. «Wir verstehen, was es für die First Lady der USA bedeutet, während eines Krieges hierher zu kommen, wo jeden Tag Militäraktionen stattfinden, wo auch heute noch jeden Tag die Luftsirenen ertönen.» In Uschorod traf Biden auch mit Flüchtlingen zusammen.
Justin Trudeau in Irpin
Der kanadische Ministerpräsident Justin Trudeau hat der schwer zerstörten ukrainischen Stadt Irpin am Sonntag überraschend einen Besuch abgestattet. Der Bürgermeister der Stadt, Oleksandr Markushyn, erklärte auf Telegram, Trudeau sei gekommen, um sich «mit eigenen Augen von den Schrecken zu überzeugen, die die russischen Besatzer in unserer Stadt angerichtet haben».
«Putin kann es sich nicht leisten zu verlieren»
Die Feierlichkeiten, inklusive Militärparade auf dem Roten Platz, finden zu einer Zeit statt, während der die russische Armee Mühe hat, im ostukrainischen Donbass Fortschritte zu erzielen. Ausser Cherson und Mariupol hat die russische Armee bisher keine grössere Städte erobern können. Bei Charkiw hat eine ukrainische Gegenoffensive offenbar Erfolg.
In dieser Phase stehe viel auf dem Spiel, sagte CIA-Direktor William Burns am Samstag. Vor allem deshalb, weil Putin «in einer Gemütsverfassung ist, in der er es sich nicht leisten kann zu verlieren».
Burns ist ein ehemaliger US-Botschafter in Russland und beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Putin.
«Putin ist im Moment davon überzeugt, dass er mit einer Verdoppelung des Drucks immer noch Fortschritte erzielen kann», sagte Burns auf einer Veranstaltung in Washington.
Burns lobte wiederholt den erbitterten Widerstand der Ukraine gegen die russische Invasion und vertrat die Ansicht, dass Putins grösster Fehler in diesem Krieg bisher darin bestand, den Kampfeswillen der Ukrainer und ihre Fähigkeit, sich zu verteidigen, zu unterschätzen.
Burns ging nicht im Einzelnen auf die amerikanischen Geheimdienstinformationen ein, die den Ukrainern zur Verfügung gestellt wurden. «Es ist ein grosser Fehler, die erheblichen nachrichtendienstlichen Fähigkeiten der Ukrainer zu unterschätzen», sagte Burns. «Dies ist ihr Land. Sie haben viel mehr Informationen als wir.»
Kühle Siegesfeier
In Moskau laufen die Vorbereitungen für die Feierlichkeiten zum «Tag des Sieges über Nazi-Deutschland» auf Hochtouren. Doch es wird eine unterkühlte Feier werden. Meteorologen sagen für Montag ungewöhnlich kaltes Wetter und Regen voraus. Wenn Putin seine mit Spannung erwartete Rede hält und die Militärparade abnimmt, wird die Temperatur kaum zehn Grad erreichen.
Alle Frauen, Kinder und älteren Menschen evakuiert
Dreihundert Zivilisten, ältere Menschen, Frauen und Kinder seien aus dem seit Wochen belagerten Stahlwerk Asowstal in Mariupol in Sicherheit gebracht worden, sagte am Samstagabend der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj.
Koordiniert wurde die Aktion vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz und von der Uno. Beide haben die Zahl von 300 Evakuierten bisher nicht bestätigt.
Ob sich noch immer Zivilisten in dem Werk befinden, ist unklar. Zudem harren etwa 1500 bis 2000 ukrainische Kämpfer in dem Stahlwerk aus. Was mit ihnen jetzt geschieht, ist unklar. Die Ukraine fordert ihren freien Abzug. Geheimdienstkreise fürchten, dass die Männer, von denen die meisten zum Asow-Regiment gehören, gefangen genommen oder gar getötet werden. Unter den Kämpfern befinden sich auch Ausländer.
Im Werk befinden sich auch noch zahlreiche Verwundete und Sanitäter. Sie sollen jetzt in Sicherheit gebracht werden.
Die Evakuierten wurden vorerst in ein Auffanglager im Dorf Bezimenoye bei Mariupol gebracht.
«Wir sind im Grunde genommen tote Männer»
Zwei Kommandanten der ukrainischen Truppen, die sich im Stahlwerk Asowstal in Mariupol verschanzt haben, gaben am Sonntagnachmittag überraschend eine Video-Medienkonferenz. Hauptmann Swjatoslaw Kalina Palamar, der stellvertretende Kommandeur des Asow-Regiments im Stahlwerk, und Leutnant Samoilenko sagten, eine Kapitulation komme für sie nicht in Frage.
«Eine Kapitulation ist für uns inakzeptabel, weil wir dem Feind kein so grosses Geschenk machen können», sagte Samoilenko. «Wir sind im Grunde genommen tote Männer. Die meisten von uns wissen das. Deshalb kämpfen wir so furchtlos.»
Zwar seien in den letzten Tagen Hunderte Zivilisten evakuiert worden, erklärte Palamar, doch gebe es in dem weitläufigen Komplex eine «Vielzahl von Opfern», sowohl unter den Zivilisten als auch unter den Soldaten.
Die beiden kritisierten die ukrainische Regierung. Sie habe es zugelassen, dass 25’000 Menschen in der Stadt «von der russischen Armee ermordet» wurden.
«Niemand hatte erwartet, dass wir so lange durchhalten würden, und wir halten immer noch durch», sagte Samoilenko und fügte hinzu, dass sie «in den letzten acht Jahren auf sich allein gestellt» gewesen seien. «Unsere Regierung hat bei der Verteidigung von Mariupol tatsächlich versagt. Sie hat bei der Vorbereitung versagt.»
Leutnant Samoilenko sagte, er könne keine Angaben darüber machen, wie viele Kämpfer sich noch in der Anlage verschanzt hätten, sagte aber, es seien «einige hundert» verwundet worden.
Keine Feier in Mariupol
Entgegen früheren Berichten will nun Russland am morgigen 9. Mai, dem «Tag des Sieges über Nazi-Deutschland», doch keine Feier in Mariupol durchführen. «Es wird eine Zeit kommen, in der es dort eine grosse Feier geben wird», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow gegenüber Reportern. Doch dieses Jahr seien keine offiziellen Besuche geplant. In 28 russischen Städten sind nach Angaben des Verteidigungsministeriums Feiern und Militärparaden geplant. 65’000 Soldaten sind dazu aufgeboten, mehr als 460 Flugzeuge werden im Einsatz sein. Vorgesehen war auch, dass im von den Russen besetzten Mariupol eine Feier stattfindet. Der Pressedienst des ukrainischen Verteidigungsministeriums hatte mitgeteilt, dass die Strassen von Mariupol von Leichen und Trümmern gesäubert wurden – um «die Feierlichkeiten salonfähig zu machen».
Heftige Kämpfe bei Charkiw
Nahe der zweitgrössten ukrainischen Stadt versuchen die ukrainischen Regierungstruppen, die Russen weiter zurückzudrängen. Das ukrainische Militär erklärte, die ukrainischen Verbände hätten am Samstag fünf Dörfer zurückerobert.
Heftige russische Angriffe
Moskaus Streitkräfte haben am Sonntag ihre Angriffe im Osten der Ukraine intensiviert. Mit Kampfflugzeugen und Artillerie griffen sie Dutzende Stellungen und Dörfer im Donbass an. Ziel ist es, vor dem 9. Mai noch einige Terraingewinne zu erzielen.
Nach ukrainischen Angaben haben die Russen am Samstag und Sonntag wieder nordöstlich von Slowjansk Geländegewinne verbucht. Russische Streitkräfte greifen Sjewjerodonezk, Popasna, Awdijiwka, Kurachowe, Nowomychajliwka an, erklären ukrainische Militärs.
Die ukrainische Militärführung berichtet, dass die ukrainischen Streitkräfte neun russische Angriffe abgewehrt hätten. Dabei seien unter anderem ein Helikopter vom Typ Mi-28, 19 Panzer und 20 gepanzerte Militärfahrzeuge abgeschossen worden.
Kampfvorbereitungen in Transnistrien
Im moldawischen Separatistengürtel bereiten sich russische und prorussische Kräfte auf den Kampf vor. Transnistrien hat sich von Moldawien (Republik Moldau) abgespaltet und wird seit dreissig Jahren von prorussischen Kräften dominiert und von Russland unterstützt. Die russischen Streitkräfte in dem Gebiet befänden sich «inmitten der Vorbereitungen für den Kampf», erklärte der ukrainische Generalstab am Sonntag. Die Russen könnten von Transnistrien aus eine neue, eine westliche Front gegen die Ukraine eröffnen (siehe: Journal21: Ein Sprungbrett für die Russen). Man vermutet, dass in Transnistrien seit langem etwa 1500 russische Soldaten stationiert sind. Zudem lagern in dem 200 Kilometer langen Streifen riesige Mengen Munition aus sowjetischen Zeiten. Ziel der Russen ist es, ein Gebiet zu beherrschen, das vom Donbass im Osten über die Schwarzmeer-Region bis hinauf nach Transnistrien reicht. So würde die Ukraine zum Binnenland.
Ukrainische Flugzeuge abgeschossen?
Russland hat nach eigenen Angaben eine Korvette der ukrainischen Marine in der Nähe von Odessa mit Raketen zerstört. In einer Erklärung des russischen Verteidigungsministeriums hiess es, seine Streitkräfte hätten in den vergangenen 24 Stunden vier ukrainische Kampfflugzeuge, vier Helikopter und drei Bayraktar-TB2-Drohnen zerstört. Von ukrainischer Seite liegt dazu keine Stellungnahme vor.
«Es gibt keine ‘Volksrepublik Cherson'»
Russland hat die Absicht, die südukrainische Stadt Cherson und das umliegende Gebiet zu einer prorussischen «Volksrepublik» zu erklären – analog zu den «Volksrepubliken» Luhansk und Donezk. In einer «Volksabstimmung» sollen die Bewohner grünes Licht dazu geben. Russland ist dabei, in Cherson den Rubel einzuführen und die ukrainischen Pässe mit russischen zu ersetzen. Cherson zählte vor dem Krieg etwa 290’000 Einwohner und liegt am Fluss Dnipro.
Gemäss ukrainischen Geheimdienstkreisen bereitet sich die ukrainische Armee auf eine Rückeroberung der Stadt vor. Mychajlo Podoljak, Berater von Präsident Wolodimir Selenskyj, sagte am Samstag: «Es wird keine ‘Volksrepublik Cherson' geben». Das Gebiet werde von den Ukrainern vollständig befreit werden.
(Wird laufend aktualisiert)
Journal 21