Ihre Männer sind ukrainische Kommandanten und harren seit Wochen im belagerten Stahlwerk «Asowstal» in Mariupol aus. Julia Fedosiuk (links) und Kateryna Prokopenko befinden sich in Sicherheit in Rom. Sie fürchten, dass ihre Männer und alle Soldaten von den Russen gefoltert und getötet werden. Der Mann von Kateryna Prokopenko ist Kommandant des «Asow»-Regiments. In einem Gespräch mit der Agentur AP fordern die beiden, dass bei einer Evakuierung des Stahlwerks nicht nur Zivilisten, sondern auch Soldaten mitgenommen werden.
Wird laufend aktualisiert
- In Mariupol geht das Wasser aus
- Stockende russische Offensive
- Selenkyj ist Gefangennahme entgangen
- Verhängt EU Öl-Embargo?
- Junge Täter in Butscha
- Keine Steuergelder für Schröder
Im belagerten Stahlwerk Asowstal in Mariupol harren noch immer vermutlich Tausende Kämpfer und Zivilisten aus. Versuche, die Zivilisten zu evakuieren, sind bisher stets gescheitert. Der Bürgermeister der Stadt warnte, dass die Menschen in dem Werk «innerhalb weniger Stunden» ohne Wasser und Medikamente sein würden.
Stockende Offensive
Die russische Grossoffensive in der Ostukraine scheint vorerst nicht nach Plan zu verlaufen. Nach Angaben westlicher Militäranalysten würden die Russen erhebliche Verluste erleiden und mit logistischen und moralischen Problemen kämpfen. Das sei nicht anders als zu Beginn des Krieges, erklärten westliche Analysten. Die Ukrainer würden nach wie vor heftigen Widerstand leisten.
Die russischen Streitkräfte versuchten bisher vergebens, die ukrainischen Truppen im ostukrainischen Donbass von drei Seiten her einzukesseln. Russland greift an drei Fronten an: von Izium im Norden, vom östlichen Donbass, wo die von Russland unterstützten Separatisten seit 2014 kämpfen, und von der belagerten Hafenstadt Mariupol im Süden.
Ein hoher Pentagon-Beamter sagte, die russische Artillerie sei zwar pausenlos im Einsatz, doch die Russen hätten «nur schrittweise» Erfolge erzielt. Sie seien ihrem Ziel, Zehntausende ukrainischer Truppen mit einer Zangenbewegung einzukesseln «noch lange nicht» näher gekommen.
Die russische Offensive sei «mehrere Tage in Verzug», sagte der hochrangige Pentagon-Beamte.
Die ersten Kriegswochen seien bestimmt gewesen durch Kämpfe in urbanen, meist stark bevölkerten Gebieten. Jetzt würde auf flachem, offenen Gelände gekämpft. Es sei «ein Kampf auf Messers Schneide», sagte der Pentagon-Beamte, der anonym bleiben will.
In der Ost- und Südukraine kämpfen jetzt über 92 russische Bataillone. Jedes Bataillon verfügt über etwa 700 bis 1000 Soldaten. Viele der russischen Bataillone hatten in den ersten Kämpfen schwere Verluste erlitten. Viel militärisches Material wie Panzer und Artilleriebatterien wurde zerstört. Die Truppen zogen sich zunächst auf russisches Gebiet zurück. Die Bemühungen, die angeschlagenen Bataillone zu verstärken und mit Nachschub zu versorgen, wurden nach Angaben des Pentagon «übereilt unternommen, so dass viele der in den Kampf zurückgeeilten Einheiten wahrscheinlich nicht in voller Stärke zur Verfügung stehen».
Um die Kräfte im Nordosten und Osten zu verstärken, wurden Dutzende Bataillone, die in Mariupol gekämpft hatten, in den Donbass verlegt, so der Pentagon-Beamte.
«Gescheiterte russische Vorstösse»
Die russischen Vorstösse in der Nordostukraine seien vorerst gescheitert, heisst es in britischen Militärkreisen. Russland sei jetzt dabei, die Truppen zu sammeln und neu aufzustellen. Die russischen Streitkräfte würden nach wie vor mit Koordinationsproblemen kämpfen. Die Einheiten seien geschwächt.
Selenskyj knapp der Gefangenschaft entgangen
Zu Beginn des Krieges am 24. März ist der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj knapp der Gefangenschaft durch russische Truppen entgangen. Dies berichtet der amerikanische Journalist Simon Shuster, der für das Time Magazine arbeitet und Selenskyj begleitete. Danach seien am ersten Kriegstag Fallschirmjäger über Kiew abgesprungen, um den Präsidenten festzunehmen und zu töten.
«Solche Dinge hatten wir zuvor nur in Filmen gesehen», sagt Selenskyjs Stabschef Andriy Yermak. Der Präsident und seine Familie waren im Büro des Präsidenten nicht mehr sicher. Sicherheitskräfte bauten behelfsmässige Blockaden mit allem, was sie finden konnten. Am Abend kam es dann zu Schusswechseln im Regierungsviertel von Kiew. Laut Parlamentssprecher Ruslan Stefanchuk wurden schusssichere Westen und automatische Waffen an den Präsidenten und seine Helfer verteilt und das Licht im gesamten Gebäude ausgeschaltet. Russische Truppen hätten demnach zwei Versuche gestartet, den Gebäudekomplex zu stürmen.
Verhängt die EU ein Öl-Embargo?
EU-Botschafter werden vermutlich nächste Woche ein Embargo gegen russisches Öl verhängen. Dies verlautete aus EU-Kreisen. Das Embargo soll schrittweise über mehrere Monate hinweg eingeführt werden. Damit die EU-Staats- und Regierungschefs nicht erneut zusammenkommen müssen, soll das Embargo auf Botschafterebene beschlossen werden.
Ukrainische Armee sprengt Eisenbahnbrücke
Nach ukrainischen Medienberichten haben ukrainische Streitkräfte eine Eisenbahnbrücke in der Nähe der ostukrainischen Stadt Donezk gesprengt. Dabei sei ein russischer Güterzug schwer beschädigt worden. Die Brücke führt über den Fluss Siwerskyj Donez zwischen den Orten Lyman und Rajhorodok.
Ukrainisch-russische Gespräche
Eine russische und eine ukrainische Delegation diskutieren täglich über Video über den Entwurf eines möglichen Abkommens zur Beendigung des Krieges. Das sagte der russische Aussenminister Sergej Lawrow in einem Interview mit der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua. Thema der Gespräche seien «die Entnazifizierung, die Anerkennung der neuen geopolitischen Realitäten, die Aufhebung der Sanktionen und der Status der russischen Sprache», sagt Lawrow und fügt bei: «Die Gespräche verlaufen nicht gut.» Grund dafür seien die «militante Rhetorik und hetzerische Aktionen der westlichen Unterstützer von Kiew». Ukrainische Beamte sagen, die Russen würden mit «lächerlichen Forderungen wie Entnazifizierung» deutlich machen, dass sie kein Interesse an einem Abkommen hätten.
Eine Million Ukrainer in Russland?
Seit Kriegsbeginn seien über eine Million Ukrainer und Ukrainerinnen nach Russland «in Sicherheit» gebracht worden, sagte der russische Aussenminister Sergej Lawrow am Samstag. 120’000 Menschen stammten aus den sezessionistischen Regionen Donezk und Luhansk. Die Ukraine spricht von Zwangsdeportationen.
Weitere Leichen gefunden
Rund um die ukrainische Hauptstadt werden immer weitere Leichen von getöteten Zivilisten gefunden. Am Freitag waren es 26. Der Polizeichef der Region Kiew, Andrij Njebytow, sagte, bisher seien «1187 unserer friedlichen Mitbürger, die durch die Hände der russischen Armee umkamen» gefunden worden. 200 Menschen würden noch als vermisst gelten. Die meisten der Getöteten wurden in der Kleinstadt Butscha gefunden. Russische Soldaten hatten nach Angaben westlicher und ukrainischer Geheimdienste bei ihrem Rückzug aus der nördlichen Ukraine mehrere Massaker angerichtet. Russland bestreitet das.
Junge Täter
«Es waren junge Soldaten von niedrigem Rang», welche die Massaker von Butscha verübt haben, erklären ukrainische Beamte. «Vier waren Gefreite, die anderen Unteroffiziere.» Die ukrainischen Behörden hatten Fotos der Identifizierten ins Internet gestellt.
Die ukrainischen Behörden identifizierten die 64. motorisierte Infanteriebrigade Russlands als die Einheit, die für einige dieser Gräueltaten verantwortlich ist, und erklärten, ihre Beteiligung sei «durch die Ermittlungen und die koordinierte Arbeit von Staatsanwälten und Polizeibeamten festgestellt worden».
Die Zehn werden beschuldigt, unbewaffnete Zivilisten in der Stadt Butscha entführt und gefoltert zu haben. Dies ist die bisher ausführlichste Anschuldigung gegen die russischen Streitkräfte in der Ukraine. Nach dem Rückzug der russischen Truppen Ende März wurden in Butscha die Leichen von Hunderten von Zivilisten gefunden. Vielen Opfern war in den Hinterkopf geschossen worden, andere waren mit auf dem Rücken gefesselten Händen hingerichtet worden. Ukrainische Beamte erklärten, dass Frauen vergewaltigt und Kinder getötet worden seien.
Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft meldete am Donnerstag in einer Erklärung, dass die zehn namentlich genannten russischen Soldaten Zivilisten als Geiseln genommen, «sie mit gefesselten Händen und verbundenen Augen auf den Knien gehalten» und sie «gedemütigt und geschlagen» hätten.
«Wir kennen alle Details über sie und ihre Taten», sagte der ukrainische Präsident Selenskyj. «Und wir werden alle finden, genauso wie wir alle anderen russischen Verbrecher finden werden, die Ukrainer getötet und gefoltert haben, die unser Volk gequält haben, die Häuser und zivile Infrastruktur in der Ukraine zerstört haben.»
Russland bestreitet, dass seine Truppen in Butscha Verbrechen begangen haben. Die Bilder und Zeugenaussagen seien gefälscht. Laut internationalen und ukrainischen Experten sind die russischen Gräueltaten jedoch belegt.
In einem kürzlich erschienenen Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch heisst es, dass «die russischen Streitkräfte während ihrer Besetzung von Butscha eine ganze Reihe offensichtlicher Kriegsverbrechen begangen haben» und dass es «umfangreiche Beweise für summarische Hinrichtungen, andere rechtswidrige Tötungen, gewaltsames Verschwindenlassen und Folter gibt, die alle Kriegsverbrechen und potenzielle Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen».
Radiojournalistin getötet: Beim russischen Raketenangriff auf Kiew am Donnerstag ist die bekannte ukrainische Radiojournalistin Vira Hyrych in ihrem Wohnhaus getötet worden. Präsident Selenskyj bestätigte den Tod der 50-Jährigen, die für den ukrainischen Dienst von Radio Free Europa/Radio Liberty arbeitete.
Plünderungen in Mariupol
Russische Soldaten haben mehr als 2’000 Gegenstände aus Museen in Mariupol geplündert und sie nach Donezk gebracht. Dies berichtet die Stadtverwaltung von Mariupol. Donezk ist die sogenannte Hauptstadt der von Moskau kontrollierten ukrainischen Ostregion.
Keine Steuergelder mehr für Schröder?
Der deutsche Finanzminister Christian Lindner will Altbundeskanzler Schröder wegen seiner Verflechtungen mit Russland jede staatliche Unterstützung streichen. «Wir sollten Konsequenzen ziehen. Es ist für mich nicht mehr vorstellbar, dass für ihn ein Büro vom Steuerzahler gestellt wird», sagte Lindner in einem Interview mit der Funke-Mediengruppe. «Ehemalige Inhaber von Spitzenämtern, die offenbar an der Seite verbrecherischer Regierungen stehen, können nicht auf die Unterstützung dieses Staates zählen.»
(Wird laufend aktualisiert)
Journal 21