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Kommentar21

In eigener Sache

17. Oktober 2012

Am 17. September dieses Jahres ist die Autobiographie von Salman Rushdie auf den Markt gekommen: weltweit gleichzeitig und unter grosser Geheimhaltung. Rezensionsexemplare wurden im Voraus keine verschickt. Wie aber bespricht man ein Buch, das man nicht kennt? Und vor allem: Wie viel Zeit steht für die Lektüre zur Verfügung? Antwort: keine. - Ich hatte von einer deutschen Tageszeitung den Auftrag bekommen, Rushdies Buch zu besprechen. Wenige Tage vor dem Erscheinungstag erreichte mich die Nachricht, dass die Online-Redaktion die Rezension des Buches bereits am folgenden Tag aufschalten wolle. 24 Stunden also für die Lektüre und die anschliessende Besprechung eines 720-seitigen Werks! Ich habe den Auftrag zurückgegeben, aber der Vorfall hat mir zu denken gegeben. - Wenn solche Gepflogenheiten überhandnehmen, was bedeutet das für die Qualität des Journalismus? Eine Meldung exklusiv und als Erste im Blatt zu haben, ist schön und gut. Aber doch nicht um diesen Preis! Schon jetzt werden Ereignisse vielfach ungeprüft und bar jeder klärenden Interpretation praktisch in real time in alle Welt übermittelt. Wollen wir, dass das einreisst auch in Bereichen wie der Kultur, wo vertieftes Nachdenken doch eigentlich zum Geschäft gehört? Offenbar ja. Nur sollte man bedenken, dass damit bis anhin seriöse Print-Medien unter dem Druck ihrer Online-Redaktionen ihr grösstes Gut verspielen: die eigene Seriosität und Verlässlichkeit. Und das kann definitiv nicht im Interesse einer demokratischen Öffentlichkeit sein. (Klara Obermüller)

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