Narendra Modi versucht, sein Image als Muslim-Hasser auszuradieren und an seine Stelle die Marke NaMo zu etablieren: entscheidungsfreudig, durchsetzungsfähig, kompromisslos.
Zwei Männerporträts beherrschten vergangene Woche den Bilderwald der indischen Presse. Der Eine musste für seinen Medienauftritt, im Inseratenteil der Zeitungen, bezahlen. Der Andere durfte dagegen im redaktionellen Teil Gratiswerbung machen, unterstützt von Schlagzeilen wie ‚Narendra Modi Superstar‘. Diesen Status machte er seinem Landsmann aus Gujerat streitig, Mohandas K. Gandhi, seines Zeichens Vater der Nation, dessen Geburtstag die Regierung mit zahlreichen Inseraten feierte.
Es war natürlich kein Geburtstagskränzchen, das die Kongresspartei dem Mahatma winden wollte. Es war vielmehr ein untrügliches Zeichen, dass Wahlen im Anzug sind. Gandhis Geburtstag ist eine willkommene Gelegenheit für die Regierungspartei, mit seinem Konterfei ein bisschen Wahlpropaganda zu betreiben, billige auch im finanziellen Sinn, denn bezahlt werden die Inserate nicht aus der Parteikasse, sondern vom Steuerzahler.
Der „Brand“ Gandhi hat an Zugkraft verloren
Das Tröstliche bei dieser Schleichwerbung ist, dass der Mahatma immer noch eine gewisse Zugkraft zu zeigen scheint, gerade für eine Partei, deren politische Ethik mit den zahlreichen Korruptionsskandalen abhanden gekommen ist. Noch zynischer ist ein anderer Aspekt: Es kann nicht schaden, wenn mit der Marke ‚Gandhi‘ auch das Image der ersten Familie des Landes etwas aufpoliert wird, selbst wenn die meisten Wähler inzwischen wissen, dass es zwischen dem Mahatma und Sonia Gandhi keine verwandtschaftlichen Verbindungen gibt.
Kein Zweifel: Auch der Marken- und Marktwert der ‚Brand‘ Mahatma Gandhi hat an Zugkraft eingebüsst. Laut einer kürzlichen Umfrage des Wirtschaftsblatts ‚Mint‘ ist es heute die Marke ‚Bollywood‘, und nicht Mahatma Gandhi, die das Image des Landes am besten ausdrückt. Aber es ist immer noch besser als jenes der Gandhi-Familie, das einen dramatischen Kurssturz erlebt, sodass man um ihr Überleben fürchten muss. Sonia Gandhis Gesicht gleicht in diesen Tagen einer Totenmaske, und in Delhi flüstert man sich zu, dass eine kürzliche Unterleibsoperation in New York ihr Krebsgeschwür nicht entfernen konnte. Sie wirkt noch kälter und reservierter, und ihre politischen Interventionen wirken mechanisch und müde.
Warum hat er geschwiegen?
Das wäre Alles weniger schlimm, wenn die nächste Generation endlich in die Startlöcher gehen würde. Doch von der Tochter Priyanka weiss man, dass sie unter Depressionen leidet, und das Verhalten ihres Bruders Rahul ist so bizarr, in seinen extremen Ausschlägen zwischen langem Schweigen und plötzlichen Wortkaskaden, dass man sich Sorgen um sein Gleichgewicht machen muss. Ein Beispiel: Ein dubioser Gesetzesvorschlag, mit dem kriminelle Politiker geschützt werden sollten, passierte kürzlich alle Hürden von Parteispitze, Kongressfraktion und Kabinett. Rahul blieb stumm. Plötzlich, vor einer Woche, stürmte er in eine Pressekonferenz, in der ein Minister die Gesetzesinitiative verteidigte. „Unsinn“, rief Rahul in die Mikrophone, „dieses Stück Papier gehört zerrissen zu werden“.
Die Öffentlichkeit rieb sich die Augen. Es war ja gut und recht, wenn sich der junge Mann so rabiat in den Kampf für eine saubere Politik warf. Doch warum hat er zu den schweren Korruptionsvorwürfen gegen seinen eigenen Schwager immer geschwiegen? Warum zu den Fragen über eine Familienstiftung, auf welche teurer Landbesitz der Partei überschrieben worden war? Und warum hatte er sich als Vizepräsident der Partei nie geäussert, als diese über das Gesetz beriet? Plötzlich entzog er Premierminister Manmohan Singh den Teppich unter den Füssen, just im Augenblick, als dieser in New York Präsident Obama traf. Kaum war er wieder in Delhi, musste er die Initiative fallenlassen – und das Land konnte miterleben, wie ihr Premierminister vor dem Heisssporn der Familie zu Kreuze kriechen musste.
Vom Muslim-Fresser zum sauberen Politiker?
Je mehr sich das Image von Familie, Partei und Regierung verdunkelt, desto heller leuchtet das Bild der Opposition. Vor drei Wochen ist Narendra Modi zum offiziellen Kandidaten der nationalistischen BJP-Oppositionspartei erkoren worden. Modi ist nicht nur ein scharfzüngiger Redner, er hat es als Regierungschef von Gujerat fertiggebracht, seinen Ruf als Muslim-Fresser mit dem Image eines effizienten, entscheidungsfreudigen und sauberen Politikers zu übertünchen. Nun, da er die nationale Bühne betritt, rollt eine Image-Kampagne an, wie sie für ein Konsumprodukt nicht professioneller sein könnte.
Modi hat sich eine amerikanische PR-Firma geholt, die sich auf politisches ‚Merchandising‘ versteht. Bereits als Provinzchef hatte er gestattet, dass Hunderttausende von Modi-Gesichtsmasken verteilt wurden, die ihn in ihrem medialen Effekt omnipräsent machten. Nun gibt es ‚NaMo‘-Hemden zu kaufen, kurzärmlige Kurtas mit Mandarin-Kragen, auch diese mit einer sorgfältig geplanten Aussage – hemdsärmlig, bescheiden, elegant ist er.
‚Next-Generation Android Mobile Odyssey‘
Das visuelle Emblem kommt mit ‚Name-Branding‘ daher. Das Wort ‚NaMo‘ ist nicht nur ein Kürzel seines Namens, es bedeutet im rituellen Sprachgebrauch vieler Hindus auch den Namen Gottes. Zugleich werden die jugendlichen Konsumenten – und potentiellen Wähler – in den Sozialmedien darauf hingewiesen, dass ‚NAMO‘ auch ‚Next-Generation Android Mobile Odyssey‘ bedeutet. Auch die Armen bleiben nicht vergessen. In Bihar werden jetzt Tee-Schenken zu ‚NaMo-Teashops‘ umbenannt, sodass beim Teeschlürfen dann auch die Geschichte vom armen Jungen Narendra zu Wort kommt, der in einem solchen Ausschank seine ersten Rupien verdient hatte.
Modi selber ist derweil sorgfältig darauf bedacht, nicht selber als Werbestratege in Erscheinung zu treten, um eine Trivialisierung seiner Rolle zu vermeiden. Er verkörpert zwar sein Image mit ihrem sofortigen Wiedererkennungswert, aber er tut dies mit der Gravitas des Landesvaters. Seine Schimpftiraden auf Muslime und Pakistan hat er gezügelt, dem armen ‚gehörnten‘ Premierminister bringt er Mitleid entgegen. Sogar Rahul Gandhi behandelt er als verwöhnten ‚Princeling‘ und bedauert, mit einem so schwachen Gegner streiten zu müssen.
Die Wirtschaftselite bläst in seine Segel
Und so landet Modi jeden Tag kostenfrei in den Schlagzeilen, ob er nun in Südindien zu Fischern spricht, in Bombay zu Goldhändlern, oder in Delhi zu jungen Leuten. Jedesmal hat er etwas Lustiges, Höhnisches oder Visionäres parat, und eine Phalanx von Freiwilligen ist dafür besorgt, die Sozialmedien mit positiven Kommentaren zu überschwemmen, sodass die elektronischen Medien darauf anbeissen.
Auch die Wirtschaftselite und die städtischen Mittelklassen blasen Modi kräftig in die Segel, verspricht er doch rasche Entscheidwege, schmiergeldfreie dazu. China lässt grüssen, denn auch Herr Modi verbittet sich politische Kommentare nund unbequeme Fragen. Die Unternehmer lassen es sich gefallen, denn das demokratische Wursteln der Kongress-Regimes hat weder ihnen noch den Armen viel gebracht. Die entscheidende Antwort werden im nächsten Jahr allerdings die Armen an den Urnen geben, noch immer die grosse Mehrheit des Milliardenvolks: Werden sie in der ‚Brand Modi‘ die Maske eines Diktators erkennen, oder das neue Gesicht eines neuen, ambitionierten Indiens?