Am kommenden Sonntag entscheiden die Zürcher Stimmbürger, wer den zweiten Sitz des Kantons im Ständerat gewinnen wird. Der SP-Politiker Daniel Jositsch hat den ersten Sitz schon im ersten Wahlgang erobert. Jetzt wogt der Kampf zwischen der grünliberalen Tiana Moser und dem SVP-Exponenten Gregor Rutz. Rutz gilt als SVP-Hardlinder und ist stolz auf diesen Titel. Das spricht nicht für seine Liberalität.
Um die Kirche im Dorf zu lassen und die Proportionen nicht aus den Augen zu verlieren: Diese Ständeratswahl ist keine sogenannte Schicksalswahl, auch wenn Parteistrategen und andere Propagandisten gerne mit dramatischen Begriffen dieser Art hantieren. Ob der bevölkerungsreichste Kanton in der kleinen Kammer des Berner Bundeshauses künftig mit zwei linken (genauer: halblinken) Politikern oder mit je einem linken und einem bürgerlichen Repräsentanten vertreten sein wird, wird den Lauf der Weltgeschichte oder der helvetischen Zukunft nicht grundlegend beeinflussen. Für solche politischen Sprünge sind die Checks and Balances in unserer erprobten föderalen Demokratie solide genug verwurzelt.
Abschreckende Eigendefinition
Dennoch ist es zumindest für das politische Klima im Lande und vielleicht sogar für die Entwicklung unserer Beziehungen zur EU nicht ganz gleichgültig, ob der zweite Zürcher Sitz im Ständerat von Tiana Moser oder Gregor Rutz vertreten wird. Rutz gilt als Hardliner (der neudeutsche Begriff für Falke) selbst in der rechtsnationalen SVP und erklärt gerne, er betrachte diese Einstufung als Kompliment, denn er verstehe sich selber als Hardliner.
In der bürgerlichen NZZ war zu lesen, Rutz liege mit seinen Positionierungen auf der politischen Links-rechts-Skala «in der Nähe eines Roger Köppel oder Andreas Glarner». Diese Einordnung muss auf jene Stimmbürger, die sich im weiten Sinne als liberal definieren, entschieden abschreckend wirken. Kann man sich als Zürcher einen Ständerat in Bern wünschen, der dem zynischen Publizisten, Putin-Verharmloser, Selenskyj-Verleumder und EU-Dämonisierer Köppel politisch nahesteht? Oder dem kindischen Aargauer Provokateur und politischen Brandstifter Andreas Glarner?
Es mag sein, dass der Ständeratskandidat Rutz von den demagogischen Schaumschläger-Methoden, mit denen diese und andere Exponenten des SVP-Lagers die Wasser der öffentlichen Meinung auf ihre narzisstischen Mühlen zu leiten versuchen, nicht immer begeistert ist. Aber wer sich selbst stolzgeschwellt als SVP-Hardliner definiert und sich nicht von extremistischen Lautsprechern in den eigenen Reihen abgrenzt, muss sich nicht wundern, wenn viele liberalen Wähler nicht bereit sind, ihre Stimme für diese Richtung von bürgerlicher Politik einzuwerfen.
Scheitern wie Blocher, Maurer, Köppel?
Im Vergleich zum SVP-Falken Rutz vermittelt dessen grünliberale Konkurrentin Tiana Moser jedenfalls einen deutlich weltoffeneren und kompromisswilligeren Eindruck. Ihre Partei gehörte, zusammen mit den Grünen, zu jenen Minderheitsfraktionen, die bereit waren, den im Entwurf vorliegenden Rahmenvertrag mit der EU im Parlament ernsthaft zu diskutieren. Alle Bundesratsparteien, die SVP an vorderster Front, haben diese konkrete Möglichkeit zur Normalisierung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit unseren Nachbarn in Europa kurzsichtig torpediert.
Vielleicht bestätigt sich am kommenden Sonntag eine Tendenz, die sich schon bei früheren Zürcher Ständeratswahlen abzeichnete: Die Wählermehrheit im bevölkerungsreichsten Kanton wünscht keine SVP-Hardliner im Berner Stöckli. Schon 2007 hatte diese Ueli Maurer und 2011 Christoph Blocher zum zweiten Mal abblitzen lassen. 2019 scheiterte ebenso Roger Köppel mit seiner Ständeratskandidatur.