Zunächst einmal ist es eine persönliche Tragödie. Konrad Hummler, zweifellos einer der begabtesten und intelligentesten Schweizer Privatbanquiers, musste als geschäftsführender Partner der 1741 gegründeten Bank Wegelin ihr faktisches Ende bekanntgeben. Während ihm Respekt und auch Häme entgegenschlägt, zeigt er etwas, was im modernen Schweizer Banking sehr selten geworden ist: Anstand und Verantwortung. Das muss er auch, denn er ist kein Private Banker, die diesen Titel als verantwortungsfreie Angestellte einer Bank ja nur usurpiert haben, sondern persönlich haftend. Also bleibt er bei der «Bad Bank» Wegelin mitsamt fünf weiteren Partnern an Bord, bis das USA-Schlamassel aufgeräumt ist.
Eigentlich unfassbar
Blenden wir kurz zurück. Es ist noch keine drei Jahre her, dass die am Abgrund stehende UBS eine Krise des Rechtsstaats Schweiz auslöste, weil Mitarbeiter in den USA Steuerhinterziehern beim Verstecken von Schwarzgeld geholfen hatten. Diesen klaren Rechtsbruch musste die Bank mit einer Busse von über 780 Millionen Dollar sühnen – und gleichzeitig wurden per Notrecht mehr als 4400 Kundendaten von US-Steuerzahlern ausgeliefert, das Ende des Schweizer Bankgeheimnisses. Die UBS trennte sich darauf von allen weiteren ca. 20 000 US-Kunden, und viele von denen suchten, oft zusammen mit ihren ebenfalls gefeuerten Private Bankern, neuen Unterschlupf. Und fanden, unfassbar, offene Türen und Tresore bei anderen Schweizer Banken.
Chronik eines angekündigten Desasters
Die zwar angeschlagene, aber immerhin mächtige Grossbank UBS musste damals winselnd zu Kreuze kriechen. Zudem schmiss sie ihre US-Kunden auf eine Art raus, die eine Weiterverfolgung der Schwarzgeldbunker kinderleicht machte. Wie andere Schweizer Banker da auf die Idee kommen konnten, Ex-UBS-Kundenbetreuer samt ihren US-Steueroptimierern willkommen zu heissen und erst noch Finder Fees zu zahlen, also ein Handgeld für die herangeschleppten Vermögen, kann nicht anders als mit dummer und blinder Gier erklärt werden. Für die USA, wie nicht nur ich schon damals festhielt, konnte es doch keinen Grund geben, das gleiche Spielchen nach dem grandiosen Erfolg bei der UBS nicht nochmals durchzuexerzieren. Und so geschah es dann auch. Klageerhebung gegen weitere Schweizer Banker, darunter auch Angestellte von Wegelin, klare Drohungen und ein Ultimatum: Auslieferung aller entsprechenden Kundendaten bis zum 31. Januar 2012. Tschakata.
Und die anderen Banken
Der unbeschränkt haftende Teilhaber Hummler spricht von einer «existenzbedrohenden Lage», die ihn dazu zwingt, «unser Lebenswerk aufzugeben». Dramatische, jedoch völlig der Realität entsprechende Worte. Nun steht aber Wegelin nicht als einzige Bank im Fadenkreuz der Steuerbehörde IRS und des US-Justizministeriums. Sondern auch die Credit Suisse, die Bank Julius Bär sowie die Zürcher und die Basler Kantonalbank haben ein gröberes Problem. Ihnen wird das gleiche Vergehen vorgeworfen. Weder vom VR-Präsidenten Rohner, zuvor immerhin langjähriger Chef Legal Counsel der Credit Suisse, also juristisch Verantwortlicher, noch aus den Chefetagen der Kantonalbanken hat man bislang ähnliche Sätze gehört. Dabei ist es völlig klar, dass auch dort diese Altlasten in Multimillionenbussen enden werden. Im besten Fall.
Organisierte Verantwortungslosigkeit
Der Unterschied zu einer echten Privatbank wie Wegelin ist allerdings, dass es bei den übrigen Beteiligten auch in den Chefetagen nur haftungs- und verantwortungsfreie Angestellte gibt, die im schlechtesten Fall das Schicksal von Marcel Ospel teilen werden: Sozial etwas stigmatisiert, aber reich im Ruhestand. Die Zeche, die diese Manager ihren Banken eingebrockt haben, werden die Aktionäre und, im Fall der Kantonalbanken, die Steuerzahler zu berappen haben. Während sich die eigentlich Verantwortlichen, sich über die Ungerechtigkeit der Welt beklagend, in ihre Villen und auf ihre Yachten zurückziehen werden, um ihr unverdientes Vermögen zu verbraten.
Dumm gelaufen
Die Schweizerische Bankiervereinigung feiert ja gerade mit der Aktion «Dankomat» ihr hundertjähriges Jubiläum. Hier dürfen sich mehr oder minder prominente Schweizer bei unseren Banken dafür bedanken, dass es sie (noch) gibt. Nur die übliche Mischung aus Arroganz, Realitätsverlust und Abgehobenheit wird die Banker daran hindern, daraus eine wirklich sinnvolle Veranstaltung zu machen. Die müsste den Titel «Äxgüsi» tragen. Und darin bestehen, dass sich die oberen Chargen der Schweizer Banken bei der Bevölkerung für all den Schwachsinn entschuldigen, den sie aus reiner Dummheit und Geldgier in den letzten Jahren angestellt haben. Aber eher bröckelt das Matterhorn zusammen, als dass wir das erleben werden.