Die Presse versteht sich als vierte Gewalt im Staat. Sie hat die Aufgabe, den Mächtigen auf die Finger zu schauen und ungesetzliche und dubiose Machenschaften aufzudecken.
Man stelle sich vor, es gäbe keine Medien. Schon heute leisten sich einige der Mächtigen im Staat viel, was nahe oder jenseits der Grenze des Erlaubten ist. Würde das Damoklesschwert der Medien nicht über ihnen hängen, ginge es erst recht los.
Die Medien als Kontrollorgan, als Tugendwächterin: Von diesem Ideal seien sie weit entfernt, schreien heute einige.
Die Medien schauen der „herrschenden Klasse“, also „jenen, da oben“, nicht auf die Finger, so der Vorwurf. Im Gegenteil: Sie stecken mit der ersten, der zweiten und gar der dritten Gewalt unter einer Decke - und mit den Wirtschaftskapitänen sowieso. Statt ihnen auf die Finger zu schauen, schützen und verteidigen sie sie. Die Medien als Propaganda-Instrument der Machthaber.
Das Volk wird belogen. Die Politiker lügen, die Wirtschaft lügt, selbst die Richter lügen. Sie alle kochen ihr Süppchen, werden reicher und reicher und was das Volk will, ist ihnen egal. Und die „Lügenpresse“ steht ihnen bei und will uns, das Volk, mit diesen Lügen indoktrinieren.
Da sind viele Emotionen im Spiel – und wenig Verstand. Viel Bauch und wenig Kopf. Natürlich machen auch die Medien Fehler, natürlich gibt es schlechte Journalisten, natürlich auch funktioniert die Presse als Filter nicht immer, natürlich gibt es Medien, die im Dienste einer Clique stehen – aber die gesamten Medien in den gleichen Topf zu schmeissen, ist nicht nur polemisch, sondern schlicht dumm.
Die Veröffentlichtung der Panama-Papers zeigt gerade klipp und klar, dass viele Medien nicht mit der herrschenden Klasse unter einer Decke stecken, wie dies die Wutbürger behaupten. Noch nie wurden in einem solchen Umfang die suspekten Machenschaften gewisser Eliten aufgedeckt. Und dies ausgerechnet von den „korrupten, gekauften Medien“.
Die „Lügenpresse“ ist es, die jetzt das satte Establishment grilliert, „jene da oben“, gegen die sich der Zorn der Wutbürger richtet. Also schützen die Medien die herrschende Klasse eben doch nicht. Vielleicht sollten die Anti-Medien-Hetzer ihre Hetze einmal überdenken und etwas nunancieren, wenn sie glaubwürdig sein wollen.
Vielleicht gibt es in den Panama-Papers Unklarheiten, vielleicht gibt es da und dort noch Korrekturen. Vielleicht war auch einiges legal. Das wird man jetzt alles erfahren. Doch wichtige Medien haben bewiesen, dass sie ihre Aufgabe als Wächterin ernst nehmen. Jetzt erfahren wir, was da und dort hinter den Kulissen so läuft. Und wir erfahren es dank der Leistung zäher Investigationsjournalisten. Und dank der Digitalisierung. Ohne einen Whistleblower oder einen Hacker wäre alles nicht möglich gewesen.
Natürlich schreien jetzt auch einige, die in den Papers angegriffen werden. Da kriechen schon wieder die Putin-Trolle aus ihren Löchern und erzählen uns, wie unbescholten der russische Präsident doch ist. Alles eine Verschwörung der CIA gegen Putin. Klar doch.