Weitgehend unbeachtet schränkt die griechische Regierung die Pressefreiheit immer mehr ein. Hellas, nicht Ungarn oder Polen belegt den letzten Platz in Europa. Griechenland ist im Ranking nun auf den letzten Platz in Europa abgesackt. Das erklärt «Reporter ohne Grenzen».
Aus der Rangliste, die «Reporter ohne Grenzen» zum Internationalen Tag der Pressefreiheit veröffentlicht hatte, geht hervor, dass Hellas im Vergleich zum letzten Jahr um nicht weniger als 38 Plätze abgerutscht ist und nun den letzten Platz in Europa belegt. Das heisst: Im viel gescholtenen Ungarn ist die Pressefreiheit besser gewährleistet als in Griechenland.
Weshalb diese plötzliche Verschlechterung? Ich kann mich erinnern, dass in den neunziger Jahren, die Presse und das Fernsehen regelmässig buchstäblich über die Regierung hergefallen sind. Diese Zeiten sind vorbei. Nur einige kleine, lokale Fernseh- oder Radiostationen versuchen noch, kritische Beiträge zu bringen und gut recherchierte Kritik anzubringen.
Fehlende Sicherheit der Journalisten
Anfangs dieser Woche erfolgte ein Brandanschlag auf den bekannten Journalisten Aris Portosalte, der nach dem Anschlag angab, seit zehn Jahren unter ständiger Bedrohung zu leben. Das erste Problem ist also die Sicherheit der Journalistinnen und Journalisten. Der Berichterstatter der «Reporter ohne Grenzen» wies darauf hin, dass die Regierung nicht in der Lage oder nicht willens sei, die Journalistinnen und Journalisten wirksam zu schützen. Es gibt Drohungen gegen Medienschaffende, Belästigungen durch Überwachung und intransparente Verteilung von Geldern – selbstverständlich abhängig vom Wohlverhalten. Nicht vergessen ist in diesem Zusammenhang die Ermordung des erfahrenen Investigativjournalisten Georgios Karaivaz. Er hatte sich auf das organisierte Verbrechen spezialisiert. Während zum Beispiel die slowakische Polizei den Mord am Investigativjournalisten Ján Kuciak aufklärte und die Täter vor Gericht brachte, tappen die griechischen Kollegen in Bezug auf Karaivaz nach wie vor im Dunkeln …
Woher kommt diese Bedrohung? Es gibt in Griechenland ein korruptes Geflecht zwischen Presse, Staat und Grossunternehmern. Es ist eng und funktioniert so: Gefällige, tendenziöse Berichterstattung gegen Geld, viel Geld – sei das der Staat, der Medienunternehmen kapitalisiert, sei das ein einzelner Journalist, der Geld von Grossunternehmern annimmt. Das ist quasi ein verbreitetes Geschäftsmodell.
Vor einigen Monaten verstarb der bekannte Journalist Georgios Trangas. Er hatte sich als «Stimme des Volkes» profiliert, als ein Journalist, der die Dinge beim Namen nannte – seit den 80er-Jahren mischte er bei allen Themen mit. Für die Finanzkrise machte er Deutschland verantwortlich, indem er zum Beispiel Angela Merkel auf besonders widerwärtige Art mit Hitler verglich. In der Coronakrise hatte er zwar mit der Kritik an den überzogenen Massnahmen und am Impfzwang einen Punkt, er schoss aber weit über das Ziel hinaus, indem er die Existenz des Virus rundweg leugnete. Der Skandal war, dass dieser Journalist ein Vermögen von etwa 100 Millionen Euro zusammengerafft hatte. Und das wurde nicht etwa bekannt, weil Polizei oder Justiz ermittelten, sondern weil die gierige Witwe und die nicht minder gierigen Kinder sich indiskret und heftig ums Erbe stritten.
Gesetze gegen Fake News sind Gesetze gegen Pressefreiheit
Das zweite Problem sind die neuen Gesetze gegen Fake News. Diese sind schwammig abgefasst und so formuliert, dass es der Staat ist, der bestimmt, was Fake News ist und was nicht. Damit kann der Staat praktisch überall eingreifen und die Berichterstattung über praktisch alles verbieten lassen, was ihm nicht passt. Besonders oft geschieht das bei der Berichterstattung über die Handhabung der Pandemie und der illegalen Grenzübertritte von Flüchtlingen in der Ostägäis. Aber auch bei der Kritik an der Armee und der Verteidigungspolitik wird es sehr schnell heikel, denn dieser Bereich ist im Gesetz explizit erwähnt – wer die Armee kritisiert, kann praktisch immer mit Gefängnis von bis zu drei Jahren bestraft werden.
Damit wird in Griechenland ein Grundrecht nicht nur geritzt, sondern richtiggehend in Frage gestellt und durch die derzeitige Regierung ausgehebelt. Warum stört das nur NGOs, die sich Pressefreiheit auf die Fahne geschrieben haben und nicht zum Beispiel die EU, die eine «Wertegemeinschaft» sein will?
Ich sehe zwei Gründe: Ab Anfang 2024 will die EU kontrollieren und bestimmen, was die Europäer online sehen und hören dürfen. Eine «politische Einigung» mit den Mitgliedstaaten über den «Rechtsakt für digitale Dienste» wurde Ende April bekannt gegeben. Die gesamte EU geht damit leider in die Richtung, die Griechenland bereits beschritten hat – weg von einem selbstverständlichen, unverhandelbaren Grundrecht! Hätten die Demokraten in Europa nicht ihren Kompass komplett verloren, würde ein Aufstand über unseren Kontinent gehen.
Den zweiten Grund sehe ich darin, dass Griechenland für Europa in der Ostägäis die Drecksarbeit erledigt und Flüchtlinge daran hindert, in den Schengenraum einzudringen. Dabei kann man keine Zuschauer und vor allem keine Medien brauchen. Bei Ungarn und Polen – zwei Länder, die oft betreffend Grundrechte am Pranger stehen – verhält es sich anders. Victor Orban leistet sich eine eigene Meinung, die oft nicht mit dem Mainstream übereinstimmt. Bei Polen ist das ähnlich. Nur wird das Land im Moment als Drehscheibe zur Ukraine gebraucht. Folgerichtig hat die EU im Moment nur Ungarn damit gedroht, die Konvergenzzahlungen einzustellen, nicht aber Polen. Man merkt die Absicht und ist verstimmt.