Dass es bei Bundesratswahlen nicht darum geht, wer der oder die Beste ist, wissen wir seit langem. Wichtig ist die Parteizugehörigkeit.
Das ist bei uns so, das ist auch im Ausland so.
Dass der SVP, der stärksten Schweizer Partei, ein zweiter Bundesratssitz zusteht, bestreitet niemand. Dass dazu eine fähige Finanzministerin geopfert werden muss, gehört zum Politbetrieb.
Dass sie nicht mehr gewählt würde, ist allerdings gar nicht so sicher. Die SP, die Grünen und die Mehrheit der CVP standen schon immer hinter ihr. Doch auch bei den Freisinnigen und selbst bei der SVP gibt es Kräfte, die ihr wohlwollend gesinnt sind. Und nicht nur der Nationalrat wählt den Bundesrat. Im Ständerat sind die Mitte und die Linke noch immer stark. Doch das sind Spekulationen. Darauf wollte sich die Bündnerin gar nicht einlassen.
Was sie an Angriffen unter der Gürtellinie erlebt hat, hat bisher wohl kaum ein Bundesrat oder eine Bundesrätin erlebt. Sie stand es durch. Chapeau. Jetzt sagte sie sich wohl: Es reicht.
Eveline Widmer-Schlumpf gehörte sicher zu einer der besten Bundesrätinnen und Bundesräte der jüngsten Zeit. Sie war und ist keine Blenderin. Charisma hatte sie wenig, aber auch der Wirtschaftsminister hat keines. Doch im Gegensatz zu ihm verfügt sie über Kompetenz und war Dossier-sicher. Aber der Wirtschaftsminister ist eben in der richtigen Partei.
Nun also hat sie die Konsequenzen gezogen. Locker und fast fröhlich trat sie vor die Medien. Ein unschönes Gerangel um ihre Bundesratszukunft wollte sie sich nicht antun. Sie lässt sich nicht auf eine üble Schlammschlacht ein. Die Bündnerin geht selbstbewusst, ungeschlagen und würdevoll. Auch das passt zu ihr.
„Im Gegensatz zu andern kann ich loslassen“, sagte sie sybillinisch während der Ankündigung ihres Rücktritts. Wen sie da wohl gemeint hat? Es ist zu hoffen, dass der neue Finanzminister ebenso fähig ist wie sie.
Sie geht freiwillig und stolz, erhobenen Hauptes - im Gegensatz zu Blocher. Der wurde schmachvoll abgewählt und davongejagt – und leidet noch heute darunter.