An seinem Sieg konnte ernsthaft niemand zweifeln. Correa lag in allen Meinungsumfragen so weit vor seinen sieben Herausforderern, dass lediglich darüber spekuliert wurde, ob er am Sonntag auf Anhieb gewinnen werde oder sich im April einem zweiten Wahlgang stellen müsse. Mit einem Stimmenanteil von rund 57 Prozent für den amtierenden Präsidenten sind die Prognosen deutlich bestätigt worden. Sein stärkster Rivale, der konservative ehemalige Bankier Guillermo Lasso, brachte es auf 24 Prozent, alle anderen rangieren unter „ferner liefen“.
Mehr Einfluss auch in der Legislative
Nicht viel weniger wichtig als sein als sein persönlicher Triumph dürfte für Correa der Erfolg seiner parlamentarischen Hausmacht Alianza País sein. Zurzeit stellt die aus verschiedenen politischen Gruppierungen und Kräften zusammengesetzte Bewegung in der Nationalversammlung nur 59 der 124 Abgeordneten. In der neuen, auf 137 Sitze erweiterten Legislative wird sie laut Correa über die absolute Mehrheit verfügen. Der Staatschef kann damit künftig Vorlagen wie das umstrittene Kommunikationsgesetz, mit dem er die von ihm als korrupt abgestempelten privaten Medien disziplinieren will, auch gegen den Widerstand der Opposition durchbringen.
Präsidenten mit kurzem Verfalldatum
Correa regiert seit 2007. Mit ihm endete in Ecuador eine Periode politischer Instabilität; in den zehn Jahren zuvor waren nicht weniger als drei Staatsoberhäupter vorzeitig mit Schimpf und Schande aus dem Amt gejagt worden. Der politische Quereinsteiger strebte einen radikalen Bruch mit der Vergangenheit an: Die Vorherrschaft der durch Misswirtschaft, Korruption und Klientelwesen in Verruf geratenen politischen und wirtschaftlichen Eliten sollte ein für allemal gebrochen werden.
Correa versprach eine Modernisierung des Landes, gepaart mit mehr sozialer Gerechtigkeit. Die von ihm in die Wege geleitete „Bürgerrevolution“ soll die Armut besiegen, den Einfluss des Staates in der Wirtschaft verstärken, Steuergerechtigkeit schaffen, Mängel im Gesundheitswesen und im Bildungsbereich beheben und das korrupte Gerichtswesen sanieren. Grundlage für die von ihm teils schon in Angriff genommenen, teils erst ins Auge gefassten Reformen bildet die neue Verfassung aus dem Jahr 2008, die Correa mit einer weit grösseren Machtfülle ausstattete als alle demokratisch gewählten Präsidenten Ecuadors vor ihm.
Mehr Öleinnahmen, weniger Armut
Von seinen vielen ehrgeizigen Projekten hinterliessen die Massnahmen zur Armutsbekämpfung die sichtbarsten Spuren. Laut CIA World Factbook ist der Anteil der Ecuadorianer, die unter der Armutsgrenze leben, zwischen 2006 und 2011 von 38,3 auf 28,6 Prozent zurückgegangen. Die indigene Bevölkerung, die etwa 30 Prozent der rund 15 Millionen Einwohner ausmacht, profitiert allerdings von diesem Fortschritt bislang nur wenig.
Schätzungsweise zwei Millionen Bedürftige erhalten jeden Monat einen Gutschein im Wert von 35 Dollar. Diese Art von Fürsorge, die auch in anderen lateinamerikanischen Staaten gang und gäbe ist, hilft zwar Notsituationen zu überbrücken, bekämpft die Armut aber nicht nachhaltig.
Hohe Staatsquote
Correa finanziert seine Sozialprogramme, aber auch andere Grossprojekte wie neue Strassennetze und den Bau von acht Wasserkraftwerken sowie Investitionen im Bildungsbereich und im Gesundheitswesen hauptsächlich mit Erträgen aus den Erdölexporten, der wichtigsten Einnahmequelle des Staates. In den vergangenen Jahren stiegen wegen der weltweit grossen Nachfrage die Erlöse aus der Erdölförderung stark. Dank der hohen Ölpreise ist die Wirtschaftsleistung 2012 um rund vier Prozent gewachsen.
Immer grösser wird unter der Regierung Correa die Staatsquote, sie liegt heute schätzungsweise zwischen 40 und 53 Prozent. Ausgesprochen gering sind hingegen die ausländischen Investitionen, im ersten Quartal 2012 beliefen sie sich gemäss Angaben der ecuadorianischen Zentralbank lediglich auf 315 Millionen Dollar.
So sehr Correa im Augenblick vom Ölboom profitiert: Die Vorräte sind endlich. Fachleute gehen davon aus, dass sie in 20 Jahren erschöpft sein werden. Als Ersatz will der Präsident den Bergbau vorantreiben. Warnungen vor den ökologischen und sozialen Folgen eines forcierten Rohstoffabbaus schlägt er in den Wind. Umweltschutzorganisationen und betroffenen Kleinbauern in den Bergbaugebieten, die ihren Lebensraum bedroht sehen und sich darum gegen seine Pläne wehren, wirft er vor, Partikularinteressen zu vertreten und einen „kindischen Eingeborenenkult“ zu betreiben.
Konfrontation statt Dialog
Im Konflikt um die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen hat Correa einmal mehr deutlich zu erkennen gegeben, dass er lieber auf Konfrontation als auf Dialog setzt. Politische Gegner beschimpft er öffentlich, und gegen die oppositionellen Medien, die ihn und seine Politik seiner Meinung nach ständig in ein falsches Licht rücken, führt er seit Jahren einen Kreuzzug.
Ein trübes Kapitel sind auch die Beziehungen zwischen dem Präsidenten und den Indianerorganisationen. Correa hatte von Anfang ein ambivalentes Verhältnis zu den Indigenen, die er stets nur als Bürger und nicht als Volk wahrnahm. In der Stichwahl 2006 unterstützten ihn die indigenen Bewegungen noch. Doch dann kam es zum Bruch zwischen ihm und dem Indigenen-Dachverband CONAIE, weil er bei der Ausarbeitung der neuen Verfassung die kollektiven Rechte und Interessen der Ureinwohner zu wenig berücksichtigte. Ein Teil von ihnen hat allerdings am Sonntag dennoch Correa gewählt, in der Hoffnung, dass seine sozialen Programme auch ihr Leben weiter verbessern werden.
Die Mehrheit Ecuadorianer hat offenbar keine Probleme mit dem selbstherrlichen Regierungsstil ihres charismatischen Präsidenten. Auch Korruptionsskandale in seinem näheren Umfeld haben seine Popularität nicht geschmälert. Nach einer langen Epoche des Chaos zählt für die meisten seiner Landsleute in erster Linie, dass unter dem Caudillo Correa endlich politische Stabilität herrscht.
Postneoliberal, aber nicht postkapitalistisch
Wird Correa nach dem Plebiszit vom Sonntag in seiner „Bürgerrevolution“ neue Akzente setzen? Grundlegende Veränderungen sind nicht zu erwarten, nicht bei den Inhalten und schon gar nicht beim Stil. In der eher flauen Wahlkampagne hat der 49-jährige Ökonom, der zunächst an der katholischen Universität in Guayaquil und später an Hochschulen in Belgien und den USA studierte, immer wieder darauf hingewiesen, dass die von ihm in die Wege geleitete Modernisierung mehrere Stadien durchlaufe und eben erst begonnen habe. Deshalb sei es wichtig, dass er weitere vier Jahre die Geschicke des Landes lenken könne.
Correas „Bürgerrevolution“ weist etliche Parallelen zur „Bolivarischen Revolution“ seines politischen Freundes Hugo Chávez in Venezuela auf. Der ecuadorianische Staatchef politisiert jedoch pragmatischer. Das zeigt sich unter anderem darin, dass er am US-Dollar als offizieller Währung festhält. Er kann damit nicht wie Chávez und die argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner einfach über die Zentralbank die Wirtschaft ankurbeln, indem er Geld drucken lässt. Im Unterschied zu Venezuela und Argentinien hat Ecuador die Inflation im Griff.
Bislang ist bei Correa auch keine Abkehr vom Kapitalismus zu erkennen. „Postneoliberal ist sein Konzept sicher“, stellt der katholische Priester und marxistische Soziologe François Houtart in einer im Portal amerika21 veröffentlichten Analyse fest, „doch ob es wenigstens auf lange Sicht auch postkapitalistisch ist, lässt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen.“