Iran hat in der Nacht zum Sonntag seine Drohungen wahrgemacht und etwa 300 Drohnen und Raketen auf Israel abgeschossen. 99 Prozent von ihnen sind laut Angaben des israelischen Militärs abgefangen worden. Die wenigen Drohnen und ballistischen Raketen, die Israel erreichten, schlugen auf dem Luftwaffenstützpunkt Nevatim im Süden Israels ein, sagte Israels Armeesprecher Daniel Hagari. Sie hätten nur leichte Schäden verursacht. Einige der auf Israel abgefeuerten Waffen stammten aus dem Irak und Jemen, fügte Hagari hinzu. Amerikanische Beamte erklären, der isranische Angriff sei «weitgehend erfolglos» gewesen. Laut der New York Times hat Präsident Biden den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu vor einem raschen Vergeltungsangriff abgehalten.
Der iranische Angriff, der kurz vor Mitternacht begann, dauerte etwa fünf Stunden. Bei den auf Israel abgeschossenen Geschossen handelt es sich nach israelischen Angaben um etwa 170 Drohnen, mehr als 30 Marschflugkörper und mehr als 120 ballistische Raketen.
Nach dem israelischen Angriff auf die iranische Konsulat in der syrischen Hauptstadt Damaskus vom 1. April hatte Iran mit Vergeltung gedroht. Bei dem Angriff waren insgesamt 16 Menschen ums Leben gekommen, unter ihnen mehrere Mitglieder der Revolutionsgarden, darunter Brigadegeneral Muhammed Reza Zahedi, Brigadegeneral Haji Rahimi und Brigadegeneral Hossein Amirollah.
Enger Kontakt Israels mit den USA, Grossbritannien und Frankreich
Beamte der amerikanischen und israelischen Verteidigungs- und Sicherheitsbehörden standen während des iranischen Angriffs in engem Kontakt. Israels Militär erklärte, es habe während des iranischen Angriffs eng mit den USA, Grossbritannien und Frankreich zusammengearbeitet.
In einer Erklärung verurteilte Präsident Joe Biden den Angriff auf Israel «aufs Schärfste» und erklärte, die in die Region entsandten US-Flugzeuge und Raketenabwehrzerstörer hätten Israel geholfen, den iranischen Angriff abzuwehren.
Bei dem Angriff seien keine US-Streitkräfte getroffen worden, so Biden, und den Israelis sei es gelungen, fast alle ankommenden Drohnen und Raketen abzuschiessen.
«Keine Eskalation anstreben»
Die USA werden sich nach CNN-Angaben «nicht an offensiven Operationen gegen den Iran» beteiligen. Dies soll Präsident Biden nach dem iranischen Angriff in einem Telefongespräch gegenüber Präsident Benjamin Netanjaqhu klargestellt haben.
Zuvor hatte der Präsident einen Wochenendurlaub in Delaware unterbrochen, um im Weissen Haus dringende Gespräche mit seinem Team für nationale Sicherheit zu führen.
US-Aussenminister Antony Blinken «wird sich in den kommenden Stunden und Tagen mit Verbündeten und Partnern in der Region und auf der ganzen Welt beraten», nachdem der iranische Vergeltungsangriff auf Israel stattgefunden hatte, sagte Blinken in einer Erklärung vom Sonntag.
«Während wir keine Eskalation anstreben, werden wir Israels Verteidigung weiterhin unterstützen, und wie der Präsident deutlich gemacht hat, werden wir das US-Personal verteidigen.»
Nachdem in Teheran der iranische Angriff bekannt wurde, brachen in den Strassen Jubelfeiern aus.
Neue iranische Warnung
Der Angriff in der vergangenen Nacht sei eine Antwort auf den israelischen Angriff auf die Teheraner Botschaft in Damaskus, erklärt Iran. Sollte jetzt Israel Vergeltung üben, werde Iran «mit mehr Gewalt» reagieren.
«Die Islamische Republik Iran wird nicht zögern, von ihrem angeborenen Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch zu machen, wenn dies erforderlich ist», erklärte der iranische Botschafter und ständige Vertreter bei der Uno, Amir Saeid Iravani, in einer Erklärung.
«Sollte das israelische Regime erneut eine militärische Aggression begehen, wird die iranische Antwort mit Sicherheit stärker und entschlossener ausfallen», so Botschafter Iravani.
«Wer uns schadet, dem schaden wir auch»
Die Konfrontation zwischen Iran und Israel sei «noch nicht vorbei», sagte Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant am Sonntag nach dem Angriff Teherans auf Israel.
«Wir haben den iranischen Angriff auf beeindruckende Weise vereitelt», sagte Gallant und forderte die Israelis auf, «wachsam zu bleiben und die von der israelischenVerteidigungskräften und dem Homefront Command veröffentlichten Anweisungen zu befolgen». Gallant sagte, Israel müsse auf «jedes Szenario vorbereitet sein».
«Gemeinsam mit den Vereinigten Staaten und weiteren Partnern ist es uns gelungen, das Territorium des Staates Israel zu verteidigen», so Gallant weiter. «Es ist nur sehr wenig Schaden entstanden – das ist das Ergebnis der beeindruckenden Operationen der israelischen Armee.
Gallant ist einer der drei Männer, die das israelische Kriegskabinett bilden, neben Premierminister Benjamin Netanjahu und Benny Gantz. Das Kriegskabinett sei ermächtigt worden, über Israels Reaktion auf den iranischen Angriff zu entscheiden, sagte ein israelischer Beamter gegenüber CNN.
Am Samstagabend wandte sich Netanjahu an die Bürgerinnen und Bürger Israels und erklärte, dass Israel sich auf einen direkten Angriff des Irans vorbereitet habe und auf «jedes Szenario, sowohl defensiv als auch offensiv», vorbereitet sei.
«Wir haben ein klares Prinzip festgelegt», so Netanjahu weiter. «Wer uns schadet, dem werden wir auch schaden. Wir werden uns gegen jede Bedrohung verteidigen, und wir werden dies mit Entschlossenheit tun.»
Reaktionen
Hamas begrüsst den iranischen Grossangriff auf Israel. Es sei Teherans «natürliches und verdientes Recht», den jüdischen Staat nach dem mutmasslich israelischen Luftangriff auf Irans Botschaftsgelände in der syrischen Hauptstadt Damaskus vor knapp zwei Wochen anzugreifen, heisst es in einer Erklärung der Hamas.
Russland kritisert den Westen und zeigt sich besorgt über die Eskalation im Nahen Osten. Das russische Aussenministerium erklärt, Iran habe nach dem israelischen Angriff auf das iranische Konsulat in Damaskus von seinem Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 der Uno-Charta Gebrauch gemacht.
Russland habe den damaligen Vorfall klar verurteilt. «Leider konnte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen wegen der Haltung seiner westlichen Mitglieder nicht angemessen auf den Schlag gegen die iranische konsularische Vertretung regieren.»
Weiter erklärt das russische Aussenministerium: «Wir rufen alle beteiligten Seiten zu Zurückhaltung auf.» Die Staaten der Region sollten die Probleme mit politischen und diplomatischen Mitteln lösen. Russland ist ein enger Verbündeter Irans und bezieht von dort auch Waffen für seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
(Journal21/AP/CNN/New York Times/Washington Post/BBC/Guardian/Haaretz/EPA)